Max Liebermann
Blumenstauden am Gärtnerhäuschen nach Osten
1928
Öl auf Leinwand 54,5 x 75,7 cm
Eberle stützte die Datierung des vorliegenden Gemäldes auf eine vergleichbare, 1928 von Liebermann datierte Kreidezeichnung, die "die blühenden Stauden in nahezu identischer Weise wiedergibt". (Matthias Eberle, Max Liebermann, Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Bd. II 1900-1935, S. 1191).
Es handelt sich bei dem dargestellten Gartenmotiv der Wannseevilla um eine der klassischen Ansichten des Vorgartens. Dabei ist ein spezifischer Bildausschnitt zu beobachten, den der Künstler offensichtlich favorisierte: Liebermann verschränkt die eher streng architektonischen Perspektiven der Gartenanlage mit den schweifenden Blickachsen des imaginären Betrachters auf eine natürliche wie raffinierte Weise, den Raum weitend und das Auge öffnend.
Eigentlich führt der Weg von der Straße kommend schnurgerade auf den Eingang der Wannseevilla zu, den Garten symmetrisch teilend. In der Komposition des Gemäldes wird er diagonal angeschnitten, der dunklere Zielpunkt des Hauses liegt malerisch verschoben in der rechten Hälfte des Bildes während der Blick des Betrachters, als wäre er ein Besucher auf diesem sonnigen Gartenweg, zu den blühenden Stauden am sogenannten Gärtnerhäuschen nach links geführt wird. Hier nun verliert man sich schnell in der ausgebreiteten sommerlichen Blüte, die von Liebermann in unzähligen Varianten der Bepflanzung immer wieder dargestellt worden ist. Den pastos aufgetragenen Pinselstrukturen, den Wuchs der Vegetation quasi plastisch modellierend, setzt der Künstler behutsam die eigene, gliedernde Geometrie des Bildes entgegen.
So gewinnt das Gemälde trotz der Nahansichtigkeit und der Unruhe der Einzelformen eine unverrückbare Stabilität, in dem Licht und Farbe zur freien Entfaltung kommen können. Die Atmosphäre des Augenblicks bleibt dabei eine suggestive und zutiefst menschliche; man meint die Freude zu spüren, mit der Liebermann die Darstellung seines geschätzten Heims immer wieder in Angriff nahm. Der Wannseegarten mit seinen verschiedenen Perspektiven wurde zum zentralen Thema seines Spätwerks.
Werkverzeichnis
1928/10 Eberle (dort mit dem Vermerk "verschollen"
Provenienz
Galerie Abels, Köln (1930); ehemals Sammlung Konsul Bomke, Dortmund
Literaturhinweise
Vgl. Anna Teut, Max Liebermann, Blütenpracht im Staudengarten, in: Max Liebermann, Gartenparadies am Wannsee, München 1997, S. 57 ff.
Ausstellung
Köln Mai 1930 (Galerie Abels), Angebotskatalog mit Abb. (lt. Werkverzeichnis)