Willi Baumeister
Konstruktivistisch (4)
1920
Öl, Bleistift, Spachtelkitt und Sand auf Karton 24 x 22 cm Gerahmt. Unten links in die weiße Farbe eingeritzt signiert 'Baumeister'. - Insgesamt schöner originaler Zustand. Oberflächlich leicht verschmutzt. Mit kleineren rahmungsbedingten Farbabsplitterungen an den Rändern. Die linke untere Ecke mit einem diagonalen oberflächlichen Riss.
Diese frühe, rein abstrakte Komposition Willi Baumeisters gehört zu einer Folge von 6 formalen Varianten, die unter dem Titel "Konstruktivistisch" aus einer größeren Komposition der "Flächenkräfte" segmentiert und als eigenständige Arbeiten isoliert worden sind (vgl. Beye/ F. Baumeister 234-239; s. auch Vergleichsabb.). Im vorliegenden Fall wurde das so neu entstandene Werk gegenüber der ursprünglichen Flächenorganisation um zwei kleine Felder verschiedener Größe, ein rotes und ein schwarzes Quadrat, ergänzt.
Die um 1920 entstandenen, hochbedeutenden Serien der "Flächenkräfte" und der "Mauerbilder" zeigen erstmals eine große Eigenständigkeit des Künstlers. Glatte und erhabene raue Flächen sind auch hier einander gegenübergestellt. Da die Streifen, die Rechtecke und das Dreieck als Einzelformen parallel auf dem Grund angeordnet sind, erscheint die Fläche streng komponiert, wobei die Verteilung der Elemente ausponderiert und zugleich dynamisch ist. Die Farben sind sparsam gesetzt und evozieren einen gewissen Purismus.
"Das Problem der Serie, bzw. der Variation ist bei Baumeister von jetzt an ein integrierender Teil seiner Entwicklung. Es gibt keinen Maler, der jeden seiner Entwürfe so vielfältig abzuwandeln vermocht hätte wie er, es sei denn, man denke an Monets ganz anders gemeinte Abfolge der 'Heuhaufen' oder an Picassos Anwendung verschiedener Schemata auf ein Thema von Velasquez, Delacroix oder Manet. Bei Baumeister ist es so, daß der entscheidende Entwurf mit Melodie, Rhythmus und Klangcharakter die ganze Reihe hindurch unangetastet bleibt, wieviel Bilder auch zur Reihe gehören, drei oder achtzehn, und daß die Variationen sich auf die Erweiterung oder Verkürzung, die Modifikation oder Verzierung der Melodie beziehen, auf die Abwandlung des rhythmischen oder des harmonischen Ablaufs und der Einzelformen. Wenn man von den Anfängen mit den 'Badenden' absieht, sind die 'Mauerbilder' die erste Reihe, die geometrisierenden Flächenbilder die zweite. (...) Bei den harmonikalen Bildern variiert Baumeister vom Gleichgewicht farbiger Rechteckfelder bis zur Dynamik verschieden schwerer und verschieden großer Formen, wobei er in die Nähe der stereometrischen Bilder Lissitzkys und Moholy-Nagys kommt, ohne es zu ahnen." (Will Grohmann, Willi Baumeister, Leben und Werk, Köln 1963, S. 48).
Werkverzeichnis
Beye/F. Baumeister 237; Grohmann 125
Provenienz
Johannes Schubert, Stuttgart; Graphisches Kabinett Kunsthandel Wolfgang Werner, Bremen (mit rückseitigem Aufkleber); ehemals rheinische Privatsammlung, seitdem in Familienbesitz
Literaturhinweise
Will Grohmann, Willi Baumeister - Leben und Werk, Köln 1963, S. 40, Werkverzeichnis Nr. 125 ("Konstruktivistisch IV"), o. Abb.
Ausstellung
Bremen 1973 (Graphisches Kabinett Kunsthandel Wolfgang Werner), Kat. Nr. 4 mit Abb.; Köln 1987 (Galerie Stolz), Herwarth Walden und der Sturm, Kat. S. 46, Nr. 7 mit Abb.