Lot 452 D

Gerhard Marcks' Hauptthema war zeitlebens der Mensch. Er suchte sich diesem Sujet immer wieder durch die Arbeit an der Skulptur zu nähern. Einige dieser Gestalten haben einen biblischen, mythologischen oder klassischen Hintergrund, andere sind Portraits oder auch völlig frei gewählt. Seit 1945 ist eine größere Anzahl von Mädchenbildnissen entstanden, zu denen auch die "Stehende mit Locken" zählt.
Leicht ponderiert, mit sanft geneigtem Haupt, die rechte Hand schützend unter die Brust gelegt, nehmen wir eine anmutige Bewegung des jugendlich schönen Körpers wahr. Die junge Dame ist keine Amazone, sie ist eine bezaubernde Grazie, die sich dem Betrachter voller Selbstverständlichkeit präsentiert. Dabei erscheint sie zugleich nachdenklich wie auch äußerst präsent. Durch die Kunst der Antike inspiriert, setzte Marcks sich bezüglich der Posen immer wieder mit Themen des Gleichgewichts, der Stabilität, des Schwerpunktes und des Verhältnisses zwischen An- und Entspannung auseinander. Die Beschäftigung des Künstlers mit der Antike zeigte sich auch in den Studienreisen, die er Ende der 1950er Jahre als über 70jähriger Künstler nach Griechenland unternahm. Hier fand er die Anregungen, die er in seinen eigenen Skulpturen voll Raffinesse und Ausdruck umzusetzen vermochte. Seit 1964 besaß Marcks ein Sommerhaus in Ägina, was seine Liebe zu Kultur Griechenlands verdeutlichen mag.
1969 hat er die "Stehende mit Locken" vor allem in der Halspartie noch einmal überarbeitet (vgl. Rudloff 846).