Pieter Brueghel d. J. - Das Hochzeitsmahl im Freien - image-1

Lot 1229 Dα

Pieter Brueghel d. J. - Das Hochzeitsmahl im Freien

Auktion 1067 - Übersicht Köln
21.05.2016, 11:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 1.000.000 € - 1.200.000 €
Ergebnis: 1.096.000 € (inkl. Aufgeld)

Pieter Brueghel d. J.

Das Hochzeitsmahl im Freien

Öl auf Holz. 41,5 x 58,9 cm.

Dieses „Hochzeitsmahl im Freien“ von Pieter Brueghel dem Jüngeren stellt eine von nur acht eigenhändigen Ausführungen einer Komposition dar, die nach 1616 und damit in die späte Schaffensphase des Künstlers zu datieren ist. Sie zeigt den Künstler, so Klaus Ertz, „auf dem Höhepunkt seines Könnens“ und gehört „zum Besten, was der Maler geben konnte“ (Ertz, op. cit., S. 659ff). Das vorliegende Gemälde aus einer westdeutschen Privatsammlung ist, wie Ertz weiter ausführt, „von sehr guter Qualität“ (Ertz, op. cit., S. 714); auch der Erhaltungszustand der Malerei ist als sehr gut zu bezeichnen. Die Tafel, die auf der Rückseite den Stempel der Antwerpener Malergilde trägt, ist am linken Rand leicht beschnitten.
Mit dieser Komposition (Ertz nennt sie den Typ A der Hochzeitsmahl-Darstellungen) greift Pieter Brueghel ein bedeutendes wie auch beliebtes Bildthema auf, das letztlich auf seinen Vater zurückgeht, und fügt dabei dem Thema eine völlig neue, eigenständige Formulierung hinzu.

Ort des bäuerlichen Hochzeitsmahls ist der weite Hof eines Bauernhauses. Eine lange niedrige Tafel erstreckt sich im Vordergrund fast über die gesamte Bildbreite. An ihr haben sich Bauern zum Hochzeitsmahl versammelt: Männer und Frauen, Alte, Junge und Kleinkinder, auch ein Hund hat sich hinzugesellt. Bier wird eingeschenkt, Essen gereicht, Essen geteilt, die Kleinen gefüttert, zwei Gäste kommen sich offensichtlich näher, und der Dudelsackpfeifer hat sein Spiel unterbrochen, um sich zu erfrischen. Die Feiernden im Bildzentrum sind jedoch nicht die eigentlichen Protagonisten des Hochzeitsmahls. Diese sieht man am rechten Bildrand an einer Tafel, die schräg in den Bildraum gestellt ist. Hier sitzt die Braut, durch das aufgespannte rote Tuch und das Papierkrönchen gekennzeichnet, zusammen mit den Honoratioren und den Familienangehörigen. An dieser Tafel geht es gesitteter zu, zumindest etwas, denn auch hier tauschen zwei Gäste bereits Zärtlichkeiten aus. Immerhin kommt an dieser Tafel der Dudelsackpfeifer seiner Pflicht nach, die Gesellschaft mit Musik zu unterhalten. Im Hintergrund verteilen die Brauteltern, wie es üblich war, Brot an Bedürftige, in einem großen Topf wird die Suppe zubereitet.

Pieter Brueghels „Hochzeitsmahl im Freien“ ist als formale Komposition wie auch als ikonographische Weiterentwicklung des Themas eine meisterliche Bilderfindung des Künstlers.
Die langgestreckte bildparallel aufgestellte Tafel erlaubt es dem Künstler, eine friesartige Figurenkomposition zu arrangieren, in der die Figuren in allen erdenklichen Posen aneinandergereiht werden. Die Bauern sind von vorne und von hinten zu sehen, sie knien, stehen, hocken, liegen, sie blicken nach rechts und nach links, der eine bückt sich, der andere streckt die Arme; das Trinken, Zuprosten, Einschenken, Füttern, Essen, Umarmen werden in einer Vielzahl unterschiedlichster Figurentypen dargestellt. Dabei bilden alle Tätigkeiten Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Figuren, so dass sich eine rhythmische Reihung der Figuren ergibt, bei der der Blick des Betrachters von Figur zu Figur, von Figurenpaar zu Figurengruppe geführt wird. Eine Figur wie die Frau am linken Bildrand, die von einem Mann umarmt wird und zugleich eine Suppenschüssel entgegennimmt, ist nicht nur komisch - sie erfüllt eben auch den Zweck, den Blick des Betrachters weiterzuleiten.
Die rhythmische friesartige Figurenkomposition mündet in die Tafel am rechten Bildrand. Dadurch, dass diese Tafel diagonal in den Bildraum gestellt ist, entsteht eine ovale Figurenkonstellation und Blickführung, die das Auge des Betrachters zu den Figuren an der niedrigen Tafel zurückführt. Das rhythmische Auf und Ab und Hin und Her wird verstärkt durch die Farbkomposition, durch das Grün, Gelb, Rot, Blau, das auf den Hüten, Kleidern, Jacken und Hosen aufflackert. Pieter Brueghel überträgt hier die Prinzipien der rhythmisch bewegten Figurenkomposition von Kirmes- und Tanzdarstellungen auf das Thema des Hochzeitsmahls und schafft eine neue bewegte und zugleich komische Darstellung dieses Themas.

Die langgestreckte Tafel mit den feiernden Bauern ist nicht nur als formale Komposition eine gelungene Bilderfindung, sie ist es auch in ikonographischer Hinsicht. Pieter Brueghel nimmt diejenigen in den Blick, die keinen Platz an der eigentlichen Hochzeitstafel gefunden haben und sich mit der niedrigen Tafel, dem umgangssprachlichen Katzentisch, begnügen müssen. Offensichtlich stellen sie die amüsantere Festgesellschaft dar, zumindest für das Auge des Betrachters. Es zeugt von seinem Sinn für Komik, wenn er die eigentlichen Protagonisten des Hochzeitsmahls einschließlich der Braut an den Bildrand rückt und die niederen - aber vergnügteren - Gäste zu den Hauptakteuren seiner eigenen Komposition befördert.
Mit der schräg in den Bildraum gestellten Hochzeitstafel, an der die Braut sitzt, zitiert Pieter Brueghel ein berühmtes Gemälde seines Vaters, mit dem dieser das bäuerliche Hochzeitsmahl überhaupt erst bildwürdig gemacht hat (Abb. 1; Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv.-Nr. GG 1027). Pieter Brueghel zeigt mit diesem Bildzitat, dass er in der künstlerischen Tradition seines großen Vaters steht. Indem er das Motiv an den Bildrand rückt und die niedrige Tafel in die Bildmitte platziert, demonstriert er zugleich, dass er ein Bildthema wie das Hochzeitsmahl mit einer gänzlich neuen Bilderfindung zu bereichern in der Lage ist. Die Tradition des Vaters fortzuführen und zugleich eine eigene Kunst zu schaffen - dies war das erklärte Ziel von Brueghels Malerei, und dies war es auch, was die Zeitgenossen an ihm bewunderten, wie ein Lobgedicht auf einem Bildnis Pieter Brueghels von Aegidius Sadeler II zeigt („In der Kunst lebt die Natur, die die Hand des Vaters dargestellt hat. In der Natur lebt die Kunst, der der Genius des Sohnes folgt “; Abb. 2).

Provenienz

Französische Privatsammlung. - Galerie de Jonckheere, 1995. - Britische Privatsammlung. - Kunsthandlung Bernheimer, München. - Westdeutsche Privatsammlung.

Literaturhinweise

Klaus Ertz: Pieter Brueghel der Jüngere (1564-1637/38). Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog, Lingen 2000, S. 714, Nr. E877, mit Abb.