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Lot 2003 Dα

Leo von Klenze - Römische Bauten mit Ansicht der Cloaca Maxima

Auktion 1118 - Übersicht Köln
17.11.2018, 14:00 - Kunst des 19. Jahrhunderts
Schätzpreis: 250.000 € - 350.000 €
Ergebnis: 372.000 € (inkl. Aufgeld)

Leo von Klenze

Römische Bauten mit Ansicht der Cloaca Maxima

Öl auf Kupfer. 56,5 x 44,5 cm.

Sein bis heute noch grundlegendes Werkverzeichnis zu Leo von Klenze beginnt Norbert Lieb mit der Feststellung: „Wenn ein Architekt des Klassizismus auch als Bildkünstler, in Freihandzeichnung und Tafelmalerei, tätig ist, so will das den herkömmlichen Begriffen der Stilepochen und der Scheidung der Kunstgattungen widersprechen, also bedenklich erscheinen. So stellt die an Schinkel in Berlin und Klenze in München manifestierte Personalunion von Architekt und Maler ein Phänomen dar, das eigene Beachtung verlangt und verdient."

Zwischen Friedrich Schinkel (1781-1841) und dem etwas jüngeren Leo von Klenze (1784-1864) gibt es in der Tat einige Gemeinsamkeiten. Schinkel studiert noch bei Friedrich Gilly und bei dessen Vater David, der die Berliner Bauakademie leitet. Klenze, gerade einmal 16-jährig, beginnt daselbst sein Studium und legt in atemberaubender Schnelligkeit im Frühjahr 1803, inzwischen 19-jährig, an der Bauakademie sein Examen ab. Schinkel und Klenze teilen auch die große Liebe für Italien, eine Seelenverwandtschaft, die sich in den Zeichnungen und Skizzen nach Ruinen der römischen und griechischen Antike wiederfinden lässt. Sie bilden das Fundament für die architektonischen Entwürfe und Bauten der beiden Klassizisten, die Berlin bzw. München städtebaulich prägen sollten. Was sie allerdings unterscheidet, ist Schinkels romantische Verehrung des gotischen Baustils, den Klenze entschieden ablehnt. Während Schinkel von der Strenge des Nordens eingenommen bleibt, nimmt Klenze etwas Südländisches, Italienisches in sich auf. Dies mag seinen mehr als 20 Reisen in den Süden geschuldet sein sowie der engen Verbindung zum Künstler- und Vertrauten-Kreis um seinen Auftraggeber Kronprinz Ludwig, dem späteren König Ludwig I.

Die Atmosphäre jener Romraufenthalte illustriert das berühmte Gemälde von Franz Ludwig Catel (Abb. 1) über das Gelage des Kronprinzen in der Spanischen Weinschänke, eine illustre Reisegruppe, Künstler und Berater gleichermaßen, die den zukünftigen König 1823 nach Italien begleiten. Es entstand 1824 im Auftrag des Kronprinzen und befindet sich heute in der Neuen Pinakothek in München. Catel schildert in einem Brief an den Sammler und Kritiker Gottlob von Quandt die ausgelassene Situation wie folgt: "Kürzlich habe ich ein kleines Bambocciadenbild für den Kronprinzen von Bayern beendigt. Seine königliche Hoheit hatten gnädigst zum Abschied von Herrn von Klenze ein kleines Déjeuner auf Ripa Grande beim Don Raffaele veranstaltet und trug mir auf, diese Szene durch meinen Pinsel zu verewigen. [...] Dargestellt sind von links nach rechts: der Wirt, Kronprinz Ludwig, Berthel Thorvaldsen, Leo von Klenze, Graf Seinsheim, Johann Martin Wagner (stehend), Philipp Veit, Dr. Ringseis (stehend), Julius Schnorr von Carolsfeld, Catel, Baron Gumppenberg. Durch die offene Tür sieht man den Aventin jenseits des Tiber. [...]"

Seine Ausbildung als Zeichner und Maler hat Klenze in Paris während seines ersten Aufenthalts im Jahr 1805 bei Constant Bourgois, einem Schüler von Jaques Louis David erhalten. Erste Zeichnungen stellt er aber erst 1824 im Münchener Kunstverein aus und im Jahr darauf am selben Ort zwei Gemälde - darunter unser 1824/25 in Rom entstandenes Bild. In diesem Frühwerk zeigt der romerfahrene Klenze erstaunlicherweise keinen der klassischen Bauten, sondern einen ganz ungewöhnlichen Ort: die „Cloaca maxima“, die im 6. Jahrhundert v. Chr. gebaute Hauptader des antiken Abwassersystems. Sie diente zur Entwässerung der Senke zwischen Palatin und Kapitol, dem späteren Forum Romanum.

Klenze wäre nicht Klenze, der Architekt, wenn er nicht den Ort über dem Kanalsystem mit den Ruinen der Basiliken, Tempelanlagen und Triumphbögen hunderte von Jahre später mit neu angelegten Bauten der Romanik und Renaissance in die Neuzeit überführt. Den antiken, imposanten Rundbogen integriert der malende Chronist in das System der „Cloaca maxima“ von üppigem Buschwerk zugewachsen und mit einer hoch ansteigenden Wand überbaut. Das Bauwerk rechts daneben erzählt von dem nächsten Schritt architektonischerr Entwicklung auf dem Weg in die Renaissance: die Fensterkonstruktion mit Fensterverdachung und ein leicht geneigtes Walmdach sind ein Indiz für die Erneuerung. Die architektonische Zeitreise wird fortgesetzt mit der Konstruktion eines Traggerüsts, ein offener Dachstuhl über einem Gebäude, welches hier verdeckt ist von einer nach außen hin kaschierten, frühchristlichen Kapellenarchitektur mit angedeutetem Portikus. Allein das an der Außenwand zitierte Strebewerk weist auf den geweihten Ort hin.

Die von Klenze hier festgehaltene, leicht hügelige und von unterschiedlichen Architekturen eingeschlossene Szene ist im oberen Bereich von nachmittäglichem Sonnenlicht erfüllt. Ein Weg in leichtem Bogen führt hinab zum im Schatten liegenden Eingangsbogen der „Cloaca maxima“, vorbei an einer wasserspeienden Maske, die an die „Bocca della Verità“ erinnert. Dieses etwa 2000 Jahre alte, antike scheibenförmige Relief mit dem „Mund der Wahrheit“ wird erstmals 1485 urkundlich erwähnt und ist seit 1632 in der Säulenvorhalle der benachbarten Kirche Santa Maria in Cosmedin angebracht. Klenze installiert sie in seinem Bild in einer von Pflanzen und Büschen überwucherten Wand, die Teil eines aus der Antike herrührenden ruinösem Bauwerk ist. Bekrönt wird das inzwischen überwachsene Naturdach von einem alten Ölbaum, dessen auffallend gedrehten Stamm Klenze im Sizilianischen Agrigent entdeckt und am 30. Dezember 1823 gezeichnet hat (Abb. 2).

Die einzelnen Bildmotive - Eingang in die „Cloaca maxima“, die „Bocca della Verità“, der Ölbaum, die Architektur der Gebäude aus unterschiedlichen Jahrhunderten - komponiert Klenze zu einem wohl kalkuliertem Architekturbild zusammen. Zur Abrundung der Szenerie setzt der Maler Klenze Staffagefiguren ein. Die am Brunnen waschende Frau, die den Weg aufsteigenden, aus dem Flussbett kommenden Personen dienen sowohl der Belebung des Bildes, als auch der Verdeutlichung von Größenverhältnissen und Raumtiefe. Allein die einzelne Figur, den Genius des Ortes, die Architektur und das Treiben nachdenklich beobachtend, ist anders: ein auffällig gekleideter Herr mit Hut. Hier scheint Klenze eine typische Szene der Malerei Carl Spitzwegs um Jahrzehnte vorwegzunehmen und seinem langjährigen Freund Johann Martin von Wagner, so vermutet Lieb, ein karikiertes Denkmal zu setzen. Wagner, ebenfalls Maler, Bildhauer und Kunstsammler, ist vor allem aber Kunstagent des Kronprinzen und König Ludwigs I. in Rom und für Klenze ein wichtiger Cicerone und Informant.

Wir sehen also in diesem Gemälde, in dem einzelne Motive und Begegnungen von Leo von Klenze zusammengefügt sind ein Prinzip, das schon Caspar David Friedrich erfolgreich anwendet und das eine romantisch gestimmte Illusion bedient. Auch Klenze sucht in seiner einfachen historistischen Architektur- und Stilgeschichte ein subjektiv getreues Verhältnis zur Wirklichkeit zu erzeugen. Dabei bewegt sich der Architekt im Spannungsfeld sachlicher Treue zwischen den Gattungen Prospekt und Vedute einerseits und künstlerischer Bildkomposition anderseits. „Cloaca maxima“ gehört zu seinen frühesten Gemälden und zeigt doch sogleich eine ungeheure Fertigkeit und Können des Architekten im Umgang mit Farbe, Licht und Bühne. Und so schreibt Julius Max Schottky, der Schriftsteller, Kunsthistoriker und Volkskundler 1833 über Klenze als Maler: „Herr Geheimer Rath von Klenze ist bekanntlich nicht allein als einer der ersten jetzt lebenden Architekten berühmt, sondern selbst als praktischer Künstler im Gebiet der Malerei so ausgezeichnet, dass man es nur bedauern kann, ihn durch die wichtigsten Amtsgeschäfte von dieser seiner Lieblingskunst so sehr abgezogen zu sehen.“

Provenienz

Ludwig Lange (1808-1868), Maler und Professor für Architektur in München. - Ernst E. Voit (1838-1921) und seine Gattin Eugenie Lange (1844-1929), die das Gemälde von ihrem Vater geerbt hat. - In der Folge im Familienbesitz Voit bis zum jetzigen Besitzer, Privatbesitz Belgien.

Literaturhinweise

Jahresbericht über den Bestand und das Wirken des Kunstvereins in München, München 1825, S. 17, Nr. 228. - N. Lieb. F. Hufnagl: Leo von Klenze, München 1979, S. 76, Nr. G. 3.