Michael Buthe
Ohne Titel
1969
Stoffbild: Gerissener gefärbter Stoff auf Holzrahmen. Ca. 234 x 230 x 10 cm. Rückseitig auf dem Stoff und auf dem Holz jeweils signiert, datiert und betitelt 'Michael Buthe 1969 Ohne Titel' sowie mit Richtungspfeil und -angabe. - Mit Atelier- und leichten Altersspuren.
Das Zerschneiden oder Zerreißen, eher Zerfetzen der Stoffbespannungen wirkt respektlos und aggressiv. In Erdtönen gebatikte Stoffe, die wie in zarten Farbschichten gemalte Lasuren übereinander auf einen gerasterten Latten-Rahmen gespannt sind, hängen wie nach einer Havarie schlaff herunter, erweisen sich als abgeschlossen gewollt und werden nicht ‚repariert'! In Entwurfszeichnungen vorbereitet, zerschneidet oder besser zerreißt Michael Buthe die Grundlage einer Jahrhunderte von Jahren geltenden Voraussetzung für traditionelle Malerei. Er experimentiert mit den Möglichkeiten eines Bildes und scheint mit dieser Geste zum Ende der Gattung zu gelangen, die Laszlo Glozer einst als „Ausstieg aus dem Bild“ beschreibt.
Diese Geste wirkt noch radikaler als die ästhetisch, spontan gesetzten Schnitte, die Lucio Fontana setzt, um der Leinwand eine Dreidimensionalität zu verpassen und dem Betrachter die kuriose Möglichkeit schafft, etwa in den Raum dahinter zu blicken. Buthes Geste kann auch als leidenschaftliche Antwort auf Blinky Palermos gleichzeitig entstehende „Stoffbilder“ gesehen werden; industriell gefärbte Baumwolle in Farb-Bahnen zusammengenäht und über einen Keilrahmen gespannt, womit er dem Vorgang des Malens an sich eine verblüffende Variante gegenüberstellt.
Buthes frühe Stoffbilder inszenierte Harald Szeemann in seiner legendären Ausstellung „When Attitudes Become Form“ in Bern 1969. Seine Werke werden in den Kanon ebenso radikal wirkender Arbeiten, etwa von Richard Serra und dessen von der Wand hängenden Gummibänder, den unbehandelten Fellfetzen nach dem Scheren der Lämmer an stelenartigen Stöcken befestigt von Jannis Kounellis oder den ungeordnet zerschnittenen Filzbahnen von Robert Morris, aufgenommen.
MvL
Zertifikat
Die vorliegende Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Pay Matthis Karstens und Juerg Judin, Berlin aufgenommen.
Provenienz
Privatsammlung, Norddeutschland