Lot 216 Dα

Verwinkelte Gassen mit ihrem lebendigen Wechsel von Licht und Schatten wurden von Max Liebermann als Motiv sehr geschätzt, hiervon zeugen zahlreiche Studien von Wegen und Straßen in Holland oder wie hier - deutlich seltener - in Venedig. Ähnlich wie das betriebsame jüdische Viertel in Amsterdam müssen die eng aneinandergebauten Häuser der Lagunenstadt auf den Maler Liebermann einen besonderen Reiz ausgeübt haben.
In zwei weiteren venezianischen Straßenszenen mit vergleichbarem Sujet (Eberle 1878/17 und 1878/20) greift Liebermann kompositionell auf Figuren zurück, die die schmalen Gassen bevölkern. Auch in einem in der Hamburger Kunstsammlung befindlichen Aquarell, unserer Straßenszene motivisch eng verwandt, integriert der Maler das Bild einer alten Frau, die er für eine Ölstudie porträtiert hatte (Eberle 1878/19). Vor diesem Hintergrund erscheint es umso bemerkenswerter, dass Liebermann im vorliegenden Werk auf jede Figurenstaffage verzichtet, zugunsten einer reinen Architekturansicht, die im meisterhaft inszenierten Rhythmus von hellen und dunklen Fassadenelementen beinahe abstrakte Qualitäten entwickelt.