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Lot 1401 Dα

Bedeutendes Relief mit der Beweinung Christi

Auktion 1174 - Übersicht Köln
04.06.2021, 12:00 - Kunstgewerbe
Schätzpreis: 20.000 € - 30.000 €
Ergebnis: 22.500 € (inkl. Aufgeld)

Bedeutendes Relief mit der Beweinung Christi

Rotes Böttger-Steinzeug, vorder- und rückseitig poliert. Hochrechteckige Platte mit der auf Steinen lagernden Dreiergruppe Maria, Christus und Johannes, im linken Hintergrund der Mittelbalken des Kreuzes. Restaurierte (brandverursachte?) Brüche am rechten Rand. H 18,3, B 15 cm.
Meissen, um 1710 - 11.

Das Böttgersteinzeug-Relief orientiert sich an einem Motiv, das der Augsburger Kupferstecher Matthäus Küsel (1621 - 1689) nach einem Gemälde von Johann Christoph Storer (1620 - 1671) produzierte. Jutta Kappel fand den Kupferstich, als sie über ein fast unbekanntes Buchsbaumrelief im Grünen Gewölbe zu Dresden (Inv.Nr. VII 27) forschte. Sowohl Kupferstich als auch Buchsbaumrelief zeigen dieselbe Dreiergruppe, wenn auch mit individuell variierenden Details. Eine weitere Variante des von Storer vorgegebenen Themas ist auf dem bisher unbekannten Böttgersteinzeug-Relief zu sehen. Im Gegensatz zu den beiden früheren Kunstobjekten wird der klagende Ausdruck Mariens verstärkt durch die fast freiplastisch ausgeformte Hand auf ihrer Brust. Auch die den Kopf des Toten stützende Hand ist vollplastisch ausgearbeitet, und zwischen Kopf und Hand bauscht sich ein Tuch, dessen Falten von der Meisterschaft des Bossierers zeugen. Im Gegensatz zur Vorlage ist Johannes näher an die Gruppe herangerückt. Die Position seines Oberkörpers hinter Maria wird nicht klar, und hier scheint eine Erklärung zu liegen, warum das Relief möglicherweise nicht häufiger produziert wurde. Ganz unvermittelt liegt eine Hand mit Dornenkranz auf der Felskante, die seinen restlichen Körper verbirgt. Sehr fein hingegen gelang die Ausformung der rechten Hand, auf der sein Kopf liegt.

Trotz der vermuteten Brandschäden und der Rauchspur auf der Rückseite wurde die Oberfläche des Reliefs fein poliert. Und erstaunlicherweise hat auch ein hauchdünnes Detail wie der Nimbus der Gottesmutter, der möglicherweise mit dem Pinselstiel in die Masse geritzt wurde, den Brand so gut überstanden, dass die zarten Strahlen des Kupferstichs exakt wiedergegeben werden. Das mit ICL monogrammierte Buchsbaumrelief des Grünen Gewölbes stammt von einem exzellenten Holzbildhauer, der vermutlich im Raum Konstanz bzw. im Bodenseegebiet tätig war und nur unter diesem Notnamen bekannt ist. Das kurz nach 1665 datierbare Relief war dem Modelleur der Steinzeugplakette vermutlich bekannt und zugänglich, denn er versuchte, ähnliche Wechsel zwischen reliefierten und vollplastischen Elementen in seiner Interpretation aufzunehmen. Das fällt vor allem am Kopf, dem Oberkörper und den Beinen Christi auf, die fast gänzlich aus der Platte herausragen. Ein Detail von Kupferstich und Relief hat der Modelleur hingegen nicht übernommen: Zu Füßen Christi liegen drei Kreuzigungsnägel, und Maria führt den vierten zur Brust. Das fehlt in der Ausformung aus Böttgersteinzeug.

Abgesehen von den Porträtmedaillen sind nur wenige andere Reliefs aus Böttgersteinzeug ausgeformt worden. In der Porzellansammlung Dresden befindet sich ein Kopf des Petrus (Inv.Nr. PE 2402), der traditionell Balthasar Permoser zugeschrieben wurde, des Weiteren eine Tafel mit Maria, Christuskind, Hl. Zacharias und Johannesknaben (Inv.Nr. PE 2403) sowie das Relief der Judith mit dem Haupt des Holofernes, dessen Modellierung Paul Heermann zugeschrieben wird aufgrund eines von ihm mit PH monogrammierten gleichen Elfenbeinreliefs in der Sammlung Staatliches Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow (Inv.Nr. KH 1879). Über 100 Ausformungen dieses Reliefs sind im Inventar der Meißner Manufaktur von 1711 erwähnt. Von dem hier vorgestellten Relief mit der Beweinung Christi, das sicher auch in diese Zeit zu datieren ist, kennen wir kein weiteres Exemplar.

Die Produktion des ersten roten Porzellans gelang Johann Friedrich Böttger (1682 - 1719) im Mai 1706, ungefähr zwei Jahre, bevor er die Zusammensetzung der weißen Masse fand. Für das „Jaspisporzellan“ verwendete er eisenoxidreiche Tone aus Plauen und ein Material, das sein Nachfolger, der Arkanist Samuel Stöltzel (1685 - 1737), als „Englische Erde“ (vermutlich roter Bolus) bezeichnete. Im Gründungsjahr der Manufaktur 1710 arbeiteten dort neun Töpfer und 27 Glasschneider, die das gebrannte harte Material bearbeiteten. 1712 waren von diesen nur noch 19 Glasschleifer tätig, d.h. dass das weiße Porzellan, das diese Veredelung nicht benötigte, nun vermehrt hergestellt wurde im Gegensatz zum roten Material, das nun weniger gefragt war.

Doch im Jahr 1710 war die Begeisterung über die Entdeckung des neuen Kunststoffs ungebremst. Die Liste der „Probe-Stücke“ für Böttgersteinzeug umfasst „gantze Öfen, Camine, (…) Thür-Pfosten, kleine Särge, Leichen-Steine, Antiche Urnen, Allerhand Tafeln zu Belegung der Fuß-Böden, Schmuck-Kästgen, Kleine Klocken-Spiehle, Hand-Granaten“ und vieles andere. Man kopierte blanc de chine-Figuren und schuf eine Serie europäischer Kaiserköpfe. Kurzum, man lotete die Möglichkeiten des Materials fieberhaft aus. Vor diesem Hintergrund muss man sich die Produktion der Beweinung Christi vorstellen.

Provenienz

Süddeutsche Privatsammlung.

Literaturhinweise

Kappel, Eine Pietà von Buchsbaumholz des Monogrammisten ICL. Anmerkungen zu einem fast unbekannten Reliefbild des Grünen Gewölbes, in: Dresdener Kunstblätter 04/2003, S. 217 ff.
Das Relief Judith mit dem Haupt des Holofernes bei Kappel (Hg), An-Sichten. Barocke Elfenbeinkunst im Dialog der Künste, Ausstellungskat. Dresden 2017, Nr. 39 f.
S.a. Menzhausen, Das Älteste aus Meißen: Böttgersteinzeug und Böttgerporzellan, in: Meißen Frühzeit und Gegenwart. Johann Friedrich Böttger zu Ehren, Dresden 1982, S. 88 ff.