Porzellan statt Gold
Weiß, durchscheinend, wasserdicht und hitzebeständig war das frühe Porzellan aus Meissen bereits bei der Gründung der Manufaktur 1710. Damit besaß es die wichtigen Eigenschaften echten Hartporzellans. Im Rausch des barocken Entdeckergeistes hatte August der Starke Johann Friedrich Böttger arretiert, der vorgab, Gold herstellen zu können. Statt Gold gelang ihm ab 1706/07 die Produktion eines roten Steinzeugs, einem ersten sehr dünnen europäischen Scherben, der beschliffen werden konnte. Mithilfe kaolinhaltiger Erde, die in Sachsen entdeckt wurde, erfand Böttger das europäische Hartporzellan und 1709 eine Glasur, die untrennbar mit dem Scherben verschmolz. 1710 erfolgte dann die Gründung der Porzellanmanufaktur Meissen, eines ersten industriell arbeitenden Betriebs für die Herstellung des neuen synthetischen Materials. Gleichzeitig überlegte man sich Vertriebswege, gründete Faktoreien für den Direktverkauf und Warenlager. Das Rezept für die Herstellung des Porzellans wurde zur staatlich aufwändig gesicherten Geheimsache, zum „Arkanum“.
In wenigen Jahren konnte man Böttgers grüngelbliche, manchmal blasige Glasur zu einer rein weißen Farbe optimiert werden.



(...) WeiterlesenDas früheste Markenzeichen: Die gekreuzten Schwerter
1720 konnte auf der Ostermesse erstmals Meissener Porzellan mit kobaltblauer Unterglasurfarbe präsentiert werden. Aufgrund des hohen Kaolingehalts war in Meissen eine deutlich höhere Brenntemperatur als bei chinesischem Porzellan erforderlich. Noch einige Jahre lang blieb das Blau ungleichmäßig und trüb. Dennoch setzte man es ab 1722 ein, um auf der Unterseite der Scherben die berühmte Schwertermarke zu platzieren. Nachdem Arkanist Samuel Stölzel mit dem Wissen um die geheime Rezeptur nach Wien geflohen war und dort eine weitere Manufaktur gegründet hatte, schützte man so die Echtheit der Meissener Porzellane. Das Markenzeichen der gekreuzten Schwerter ist seit über 300 Jahren etabliert, weltweit bekannt und spricht für die außergewöhnliche Qualität des frühesten deutschen Industrieprodukts.



Die großen Namen Meissens: Hoeroldt, Kirchner, Kaendler
Einen Meilenstein stellten auch die technischen, organisatorischen und vor allem künstlerischen Neuerungen dar, mit denen Johann Gregorius Hoeroldt Anfang der 1720er Jahre fast über Nacht den Stil des europäischen Porzellans prägte. Dem aus Wien stammenden Maler gelang die Abgrenzung von chinesischen Vorbildern, die die europäische Keramikproduktion schon im 17. Jahrhundert beeinflusste. Seine Chinoiserien zeigen eine heitere, fantasievolle, manchmal groteske Welt, geprägt von den damaligen Vorstellungen über das Leben am chinesischen Hof. Die Qualität der Ware war in Hoeroldts Augen eine Frage des Dekors.



Den Paradigmenwechsel führte Hofbildhauer und Modelleur Johann Joachim Kaendler 1731 herbei, indem er die Bemalung zum Beiwerk der Formen degradierte. Anstoß für diese Entwicklung war Kaendlers Service für den Hofbeamten Alexander Sulkowski 1735. Den Höhepunkt bildete allerdings das legendäre Schwanenservice für Heinrich Graf von Brühl.
Dieser bestellte in seiner Funktion als Direktor der Meissener Porzellanmanufaktur 1736 ein großes Tafelservice, dessen Produktion die Manufaktur über fünf Jahre stark in Anspruch nahm. Man schätzt, dass in diesem Zeitraum bis 1741 ca. 2000 Einzelteile für das Service geschaffen wurden. Mit dem namensgebenden, weiß gehaltenen Schwanenmotiv wurde jeder Teller und jede Schüssel gestaltet. Davon abgesehen, erfanden Johann Joachim Kaendler und sein Mitarbeiter Johann Friedrich Eberlein zahlreiche neue Geschirr- und Figurenmodelle, deren Motive der Wasserfauna und -flora entnommen wurden. Mit Wasservögeln, Wasserpflanzen, Muscheln, Meergöttern etc. referenzierte man den Brühl („Sumpf“) zu Ehren des Auftraggebers.
Trotz großer Kriegsverluste fanden viele Stücke über den Kunsthandel den Weg in die internationalen Museums- und Privatsammlungen und erzielen bis heute Spitzenpreise auf Auktionen.



Die Porzellan-Menagerie Augusts des Starken
Für die Ausstattung seines am Elbufer gelegenen Porzellanschlosses, dem Japanischen Palais, stellte sich der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke große Tierplastiken vor, mit deren Ausformung er den jungen Bildhauer Johann Joachim Kaendler betraute, dem er einen zweiten Modelleur, Johann Gottlieb Kirchner, zur Seite gab. Das Interesse an der Zoologie teilte der Fürst mit vielen Herrschern seiner Zeit, die teilweise lebensgroßen Ausführungen in kostbarem Porzellan sollten seinen Zeitgenossen jedoch den Atem rauben.
Kaendler war um eine äußerst naturalistische Darstellung bemüht, die nicht nur äußere Merkmale, sondern auch Körperhaltung und Ausdruck der Tiere so authentisch wie möglich nachempfanden. Dafür studierte er wochenlang sowohl ausgestopfte als auch lebende Tiere im Tierpark von Schloss Moritzburg. Kirchners Modelle waren noch eher dem Barock verhaftet, die Tiere wirkten anthropomorph. Beide Bildhauer lieferten bis zum Tod Augusts des Starken 1733 Modelle für 37 vierfüßige Tiere und 32 Vogelarten. Bis 1736 wurden weit über 500 Stücke gebrannt und ausgeliefert. Für diese ungeheure Produktion musste man nicht nur neue Öfen konstruieren, auch ein spezielles Porzellanmaterial und eine besondere Statik waren erforderlich. Viele Tiere wurden nach dem Brand veredelt mit Kaltbemalung oder Schmelzfarben, die Mehrzahl ist uns heute weiß überliefert.



Höfische Welten „en miniature“
Die Meissener Produktion der Ära Johann Joachim Kaendlers ist jedoch unmittelbar mit den kleinen Kostbarkeiten aus Porzellan verbunden, die als Tischdekorationen dienten. Sein Arbeitsbericht gibt uns Auskunft über die Modellierung von Hunderten kleiner Gruppen, die die Welt der Besteller, des Adels miniaturisiert wiedergeben. So entstanden höfische Liebespaare und Figuren in Kostümen festlicher Anlässe, Komödianten, Gärtnerpaare, Chinoiserien, Menschen aus fremden Völkern, sogar bürgerliche Berufsdarstellungen. In Kaendlers Werkstatt arbeiteten auch Johann Friedrich Eberlein und Peter Reinicke, mit denen er größere Serien realisierte. Johann Joachim Kaendler gilt als der begabteste und bedeutendster Porzellanbildhauer des 18. Jahrhunderts. Seine Schöpfungen wurden in vielen später gegründeten Manufakturen kopiert und neu interpretiert. Er selbst kannte keine Ruhephase; unermüdlich arbeitete er an seinen Ideen, auch abends und nachts, überliefert in seinem Protokoll der Feierabendarbeiten.



Geschirr für den europäischen Adel
Ab 1730 verloren die ostasiatischen Vorbilder in Meissen an Bedeutung. Neue Inspirationen für Dekore lieferten Druckgrafiken, die in großen Mengen von der Meissener Manufaktur erworben wurden, unter anderem nach den Gemälden von Watteau und Lancret. Zur Hochzeit einer sächsischen Prinzessin mit Karl IV., König von Sardinien, wurde das berühmte „Grüne Watteauservice“ hergestellt. Jedes Geschirrteil war mit figürlichen Szenen in kupfergrüner Camaieumalerei verziert. In den 1740er Jahren gingen diplomatische Geschenke an zahlreiche europäische Höfe und an den Vatikan, immer bemalt mit dem entsprechenden Wappen. Auch der preußische König Friedrich II. verfiel dem Porzellan aus Meissen, wo er mehrere Service mit genauen Angaben zum Dekor bestellte. Auffällig bei seinen Bestellungen ist das Fehlen des Wappens. Ihm ging es um das zur Ausstattung des Raums passende Tafelgedeck.



Meissen als Weltkulturerbe?
Die Meissener Porzellanmanufaktur auf der Albrechtsburg hat sowohl technologisch als auch gestalterisch Grundlagenarbeit für die Porzellanproduktion in Europa geleistet. Manufakturen in Wien, Sèvres, Berlin etc. knüpften an den Durchbruch in Sachsen an. Ob die „Stätten des Meissener Porzellans“ auch mit dem Titel UNESCO-Weltkulturerbe geehrt werden, ist noch nicht entschieden. Dass die Erzeugnisse Meissens aus dem 18. Jahrhundert kulturhistorisch von größter Bedeutung sind, spiegelt nicht nur die Faszination, mit der die Objekte in den Museen weltweit rezipiert werden, sondern auch ein internationaler Käufermarkt.
Porzellan verkaufen bei Lempertz
Das Kunsthaus Lempertz konnte sich in den letzten Jahren als wichtigster Handelsplatz für europäische Porzellane positionieren. Insbesondere Objekte des 18. Jahrhunderts, aus der frühen Zeit der europäischen Porzellane, finden sich regelmäßig in unseren Auktionen. Treten Sie für eine unverbindliche Schätzung gern an unsere Abteilung Porzellan/Kunstgewerbe in Köln heran oder an das Kunsthaus Lempertz Berlin.
Meissen Königliche Porzellanmanufaktur - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: