Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3 - image-1
Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3 - image-2
Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3 - image-3
Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3 - image-1Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3 - image-2Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3 - image-3

Lot 407 D

Jean Tinguely - PROLETKUNST Nr. 3

Auktion 1234 - Übersicht Köln
02.12.2023, 14:00 - Day Sale - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 40.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 55.440 € (inkl. Aufgeld)

Jean Tinguely

PROLETKUNST Nr. 3
1989

Skulptur aus Eisen, Wurzel, Tierschädel, Holzrad u.a. sowie Elektromotor. Ca. 138 x 99 x 100 cm auf schwarz gefasstem Holzsockel 80 x 50 x 50 cm. - Mit leichten Altersspuren.

Jean Tinguelys Objekte sind eine köstliche Mischung aus kuriosen Einzelobjekten wie Fundstücken des Alltages, Metallabfällen, Elektroschrott, nostalgischem Trödel, Knochen und anderen „kunstfremden“ Materialen. Ein Motor bewegt mit einfacher Übersetzung Teile, wiegt sie hin und her, lässt sie tanzen, verbreitet Geräusche; das zusammengeschweißte Wunderwerk ist wie eine Karikatur auf ein technisches Relikt aus früherer Zeit, spiegelt Hektik und Chaos bis in unsere Tage und es fasziniert: im Zustand der Ruhe und in der Rastlosigkeit der Bewegung. Tinguelys funktionierende Werke sind Ausdruck einer neuen Idee von Kunst, und letztlich auch eine Parodie, die abhebt auf die traditionelle Ästhetik des Werkbegriffs. Elektromotoren und Räder werden zum Herz einer Konstruktion wider jegliche Ingenieurskunst, verkörpern die Utopie einer endlosen Bewegungswelt in allen Bereichen des Lebens unter der Maxime: Alles kann miteinander verbunden werden, jedes Material ist kunstwürdig und für nutzlose Maschinen dienlich. Der von Tinguely vorgetäuschte Perfektionismus findet in der Hässlichkeit und bisweilen Schäbigkeit der „kompliziert“ zusammengeschweißten Einzelteile seine Erfüllung. Das ist freilich zu kurz gedacht, denn in den Maschinen schwingt Humanes mit, etwas, was der Künstler seinen Werken zugrunde legt, wenn es darum geht, die Zusammenhänge unserer Welt als Maschine zu denken. Vorbilder gibt es deren viele. So sieht Marcel Duchamp „Die Braut“ in seinem Gemälde von 1912 als eine Maschine mit weiblichen Formen, sehen Max Ernst oder Francis Picabia in ihren dadaistischen Maschinenbildern um 1920 ihre Chance, die Bedeutungsebenen menschlicher Beziehungen hintergründig charmant zu formulieren. Tinguely irritiert und amüsiert zugleich mit seinen subversiven Maschinen, wenn die nackten Tierschädelknochen wackeln und die Maschine klappernde Töne produziert. Sie sind Ausdruck diebischer Freude.

Werkverzeichnis

Christina Bischofberger, Jean Tinguely, Werkkatalog, Bd.3, Skulpturen und Reliefs 1986-1991, Zürich 2005, WVZ-Nr.873

Provenienz

Privatsammlung, Belgien; Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen

Ausstellung

Halle 2022 (Kunsthalle Talstrasse), Eisen- und Stahlplastik, Ausst.Kat., S.104 mit Farbabb.
Moskau 1990 (Haus der Kunst), Jean Tinguely