Jean Tinguely

Jean Tinguely - Studium an der Basler Kunstakademie, Arbeit als Dekorateur

Jean Tinguely wurde am 22. Mai 1925 in Freiburg im Üechtland geboren. Er war das einzige Kind des Lagerverwalters Charles Célestin Tinguely und der Magd Jeanne Louise Tinguely-Ruffieux. Kurz nach seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Basel, wo Jean Tinguely in der Nähe des Zentralbahnhofs aufwuchs und mit kindlicher Begeisterung die ein- und ausfahrenden Züge beobachtete. Die Liebe zu der Bewegung sollte seine Arbeit später nachhaltig beeinflussen. Von 1941 bis 1944 machte Tinguely eine Lehre als Dekorateur, im Anschluss besuchte er auf Anregung seines Lehrherrn Joos Hutter die Basler Kunstgewerbeschule. Hier beschäftigte sich Jean Tinguely erstmals mit der modernen Kunst, was er rückblickend als Glück und Schock zugleich bezeichnete. Auch lernte er seine erste Frau Eva Aeppli kennen, die er 1951 heiratete. Während er mehrere Jahre lang seinen Lebensunterhalt als freischaffender Dekorateur verdiente, experimentierte er gleichzeitig mit plastischen Drahtgestellen, an die er Gegenstände und Motoren hängte. 1952 zog er mit seiner Frau nach Paris, wo er weiter Schaufenster dekorierte, während sie Stoffpuppen nähte. Zwar half ihnen auch der gemeinsame Freund Daniel Spoerri, dennoch zeichneten sich diese Jahre durch viele Entbehrungen aus.

Die ersten Automaten: nicht perfekt, aber immer in Bewegung

Aus künstlerischer Sicht erwiesen sich die Pariser Jahre für Jean Tinguely als äußerst fruchtbar. In rasender Geschwindigkeit entwickelte er seine berühmten kinetischen Reliefs und Skulpturen. So war es nur folgerichtig, dass er 1954 in der Galerie Arnaud die Gelegenheit zu einer Einzelausstellung seiner Automaten erhielt. Dabei ging es Jean Tinguely von Anfang an nicht um eine perfekte Funktion seiner Konstruktionen, sondern um eine lebendige, flexible Umsetzung seiner fließenden Inspiration. Der schwedische Kunsthistoriker Pontus Hultén wies darauf hin, dass es gerade die mechanische Unordnung war, die den Künstler faszinierte, das unberechenbare Spiel des Zufalls. Mit seinen teils unauffälligen, teils spektakulären Maschinenplastiken füllte Tinguely zahlreiche Ausstellungen und machte sich einen Namen. Eine inspirierende Freundschaft verband ihn mit Yves Klein, mit dem er diverse Projekte realisierte – ebenso wie mit der französisch-schweizerischen Künstlerin Niki de Saint Phalle, die schließlich 1971 seine zweite Ehefrau wurde.

Künstlerisches Porträt des Maschinenzeitalters

Jean Tinguely wollte mit seiner Kunst die Bewegung sichtbar machen, denn er verortete sich selbst im Zeitalter der Bewegung. Während aber die Bewegung um ihn herum immer auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet war, ging es ihm mit seinen teils riesigen Maschinen um den Akt der Bewegung an sich. Wenn er mit seiner späteren Frau Niki de Saint Phalle feminine und maskuline Skulpturen mit fröhlicher Wucht aufeinander einschlagen ließ, dann kannte dieses Spiel mit voller Absicht keinen Sieger, sondern nur die Freude am Spiel. Für seine Werke verarbeitete Jean Tinguely auch zahlreiche Fundgegenstände, die er an verschiedenen Orten aufsammelte und zu einem planvollen Chaos fügte. Seine Kunst verstand Tinguely als künstlerisches Porträt des Maschinenzeitalters und gleichzeitig als Kritik an der überbordenden Produktion nutzloser Gegenstände, mit denen die Gesellschaft geradezu überschwemmt wurde.

Jean Tinguely starb am 30. August 1991 in Bern.