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Lot 74 Dα

Tischspiegel aus einem friderizianischen Toilette-Service

Auktion 1242 - Übersicht Berlin
20.04.2024, 11:00 - Berlin-Auktion
Schätzpreis: 15.000 € - 20.000 €
Ergebnis: 17.640 € (inkl. Aufgeld)

Tischspiegel aus einem friderizianischen Toilette-Service

Porzellan, farbiger Aufglasurdekor, überwiegend in Seegrün und Hellpurpur, Vergoldung, ebonisiertes Holz, Spiegelglas. Modell 161. Gebrannt in mehreren Teilen, mit Schrauben montiert auf den Holzträger. Hinten klappbare Aufstellvorrichtung. Glatter Bruch in der linken Seitenleiste, Restaurierungen an einzelnen Blatträndern, der Spitze des Rocaillengitters oben und den Blumen in ihrem Haar. H 59,5, B 38,5 cm.
Berlin, KPM, um 1768.

Von diesem seltenen Tischspiegel sind bisher drei weitere Ausformungen bekannt: 1. Das bei Lenz 1913 publizierte Exemplar, "gold, rosa und grün staffiert", ehemals Besitz von Margarete Oppenheim (1857 - 1935). 2. Das Exemplar bei Köllmann, damals Sammlung Karl-Heinz Wadsack, grün, gelb und emailblau staffiert. 3. Das unstaffierte Exemplar, das 2017 in der Auktion Orangerie auftauchte.
Lenz erwähnt in den achivalischen Tabellen mit den Auszügen aus den Schatullrechnungen Friedrichs II. mehrere Spiegel, die an den König geliefert wurden. Die ersten wurden 1767 übergeben, stolz verzeichnet mit dem Kommentar "Zwei Spiegel Rahmen, einer 14 1/2 Fuß hoch, 3 Fuß breit, und der andere 12 1/4 Fuß hoch, 3 Fuß breit angefertiget und zu des Königs höchster Zufriedenheit in das neue Schloß bei Sans Souci abgeliefert."
Unter dem Datum der Lieferung am 18.6. 1768 findet sich der Eintrag "2 compl. Bunt gemd. Toiletten mit natürlichen Blumen und Gold Mosaique pp.". Am 21.12.1768 lieferte die Manufaktur "3 compl. Toiletten gantz weiß eine jede bestehend in 2 Leuchter, 1 Spiegel, 1 großer, 2 mittlerer viereckiger Toilette-Kasten, 2 Poudre Dosen, 2 große, 2 mittlere, 2 kleine Büchsen zu Pomade pp., 2 Spiritus Fläschgen, 2 Nadel-Tellern, 2 kleine, 2 große Bürsten, 1 Waschbecken nebst 1 Gießkanne und 1 Seifkugel Büchse". Einige Jahre später, mit Lieferung am 25.7. 1774, findet sich noch "1 Complette Toilette nebst Spiegel von 39 Stücken mit bunt natürlichen Blumen und Goldkante".
Die Beliebtheit dieser Garnituren als repräsentatives Geschenk lässt ahnen, wie wichtig das tägliche Ritual der Körperflege und der Maquillage bei Hof waren. Perücken und Puder schufen ein einheitliches gepflegtes Aussehen, das entlarvende physische Mängel und allzu Individuelles überdeckte. Jedes Mitglied des königlichen Hofs unterwarf sich dieser Prozedur der "grande toilette“, zu der auch das aufwändige Ankleiden gehörte. All das nahm einen großen Teil des Tages in Anspruch.
Prachtvoll in Silber geschmiedete umfangreiche Toilettegarnituren kamen in Frankreich unter König Louis XIV in Mode. Die Augsburger Silberschmiede produzierten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts große Kästen mit zahlreichen Ausstattungsstücken, die als Bestellungen oder Geschenke über ganz Europa verteilt wurden. Erste Einzelstücke aus Porzellan oder mit Porzellangriffen produzierte die königliche Manufaktur Meissen schon ab den frühen 1730er Jahren. Nach dem Siebenjährigen Krieg und der Übernahme der Berliner Porzellanmanufaktur durch Friedrich II. wurden Toilettegefäße und -gegenstände auch dort hergestellt, um den Bedarf des Hofs zu decken.

Literaturhinweise

Vgl. Lenz, Berliner Porzellan. Die Manufaktur Friedrichs des Grossen 1763 – 1786, 1. Bd., Berlin 1913, Abb. 588.
Vgl. Preußische Akademie der Künste zu Berlin (Hg), Meisterwerke aus den preussischen Schlössern, Berlin 1930, Nr. 115.
Vgl. Köllmann/Jarchow, Berliner Porzellan, Bildband, München 1987, Nr. 605, verst. Christie's London am 1. Mai 2002, Lot 45.
Vgl. Auktion Orangerie Berlin am 30. November 2017, Lot 336, ein unbemaltes weißes Exemplar.