Alexej von Jawlensky - Sonnenuntergang am Meer - image-1

Lot 773 Dα

Alexej von Jawlensky - Sonnenuntergang am Meer

Auktion 882 - Übersicht Köln
03.12.2005, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 200.000 € - 240.000 €
Ergebnis: 487.900 € (inkl. Aufgeld)

Alexej von Jawlensky

Sonnenuntergang am Meer
1911

Öl auf Karton 33 x 44,8 cm signiert

Hatten die französischen Impressionisten im Gefolge von Eugène Boudin und Claude Monet die Promenaden und das Strandleben der nordfranzösischen Küsten auf eine klassisch gewordene Weise thematisiert, die Pointillisten und Fauvisten dann die südlichen mediterranen Gestade mit ihrem anderen Licht für sich entdeckt, so war es nördlich des Rheins Max Liebermann, der auf unnachahmliche Art die Atmosphäre der Dünen und das Baden am Meer schilderte. Mit der Komposition "Sonnenuntergang am Meer" von 1911 bricht nun Jawlensky mit einer bisher ungeahnten elementaren Farbgewalt diese malerische Tradition nochmals auf und gewinnt aus dem Medium und der Materie eine Wirkung, die nur noch die ausdrucksstarken Seebilder Emil Noldes im deutschen Expressionismus erreichen.
Das Motiv wird symbolhaft beschränkt auf ein Minimum formaler Gegenstandschilderung, hier stellvertretend und wie in Abbreviatur. Es sind vielmehr die Farben mit ihren starken Gegensätzen, die in dem kleinen Format geradezu großmächtig wirken. Sie erscheinen klar verteilt und wachsen aus der Entfernung gesehen zur gegliederten Flächenkomposition zusammen, eine folgerichtige Entwicklung im Werk Jawlenskys, die schon 1907/1908 eingesetzt hatte. "Der Hang, kleinen Gemälden [...] eine innere Monumentalität zu verleihen, so daß sie großformatig wirken, ist bei Jawlensky ziemlich ausgeprägt, vor allem in den Vorkriegsarbeiten. Auch bei den späteren Serien, so bei den Variationen oder Abstrakten Köpfen begegnet uns dieser kompositionelle Griff." (Tayfun Belgin, Alexej von Jawlensky, Eine Künstlerbiographie, Heidelberg 1998, S. 47.)
Zugleich ist die Art des Farbauftrags, der Pinselzug des Künstlers und seine Vermalung, wesentlich. Durch den Duktus wird die Farbe strukturiert und das Motiv erhält eine substanzielle Vielschichtigkeit und Lebendigkeit. Hier wird Gelb mit Orange vermischt, Blau gibt es in allen Intensitäts- und Helligkeitsgraden, mit weißen Lichtern und reinem Schwarz versetzt, Blaurot mutiert in fließenden Übergängen zu lichterem Lila, dunkles Violett verschiedenster Abstufung wird mit anderen Farben für die Übergänge aufgemischt. Die neben dem Strandkorb aufgesteckte Fahne, - so typsich für das europäische Strandleben der Jahrhundertwende -, "flattert" im vibrierenden Zickzack des Pinselauftrags. Kulminierend schließlich rührt Jawlensky im untergehenden Gestirn pastos und kreisförmig die Farbmasse zusammen.
"' Im Frühling 1911 fuhren wir nach der Ostsee nach Prerow, Werefkin, André, Helene und ich. Dieser Sommer bedeutete für mich eine große Entwicklung in meiner Kunst. Ich malte dort meine besten Landschaften und große figurale Arbeiten, in sehr starken, glühenden Farben, absolut nicht naturalistisch und stofflich. Ich habe sehr viel Rot genommen, Blau, Orange, Kadmiumgelb, Chromoxydgrün. Die Formen waren sehr stark konturiert mit Preußischblau und gewaltig aus einer inneren Ekstase heraus. [...] Dies war eine Wendung in meiner Kunst. Und bis 1914, gerade vor dem Krieg, habe ich in diesen Jahren meine stärksten Arbeiten, die unter dem Namen 'Vorkriegsarbeiten' bekannt sind, gemalt.'" (Alexej von Jawlensky, zit. nach: Tayfun Belgin, 1998, op. cit., S. 83)

Werkverzeichnis

1462 M. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/A. Jawlensky

Provenienz

Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, Frankfurt; Galerie Gunzenhauser, München (1979)