Öl auf Leinwand 85 x 63,5 cm, gerahmt. Unten links schwarz signiert und datiert M Liebermann/1900. - Rückseitig auf dem Keilrahmen oben links auf einem Papieretikett mit dem handschriftlichen Eintrag in Bleistift "V.B.K./ 1596" sowie daneben mit dem fragmentierten Aufkleber eines Firmenetiketts mit typographischem Aufdruck "H. Pet [erssen, Berlin, Potsdamerstr.] 23 a".
Eberle 1901/5a (Nachtrag)
Der "Papageienmann", der Vogelwärter aus dem Amsterdamer Zoo, wie er abends die bunt gefiederten Gesellen von ihren Stangen längs der Allee nimmt, der sog. "Papagageienallee", um sie in die Volièren zurückzubringen, gehört zu den berühmtesten Motiven im Werk des deutschen Impressionisten. Auch Max Slevogt beschäftigte sich interessanterweise nahezu zeitgleich mit verwandtem Motiv im Rahmen seiner Tierstudien aus dem Frankfurter Zoo (vgl. Max Slevogt, Der Papageienmann, 1901, Slg. Franz, Lempertz Auktion 600, 2.6.1984, Los 238). Für Max Liebermann schälen sich aus einer Vielzahl von dokumentierten Kreidezeichnungen, Aquarellen und auch Pastellen, wohl vor Ort aufgenommen, die beiden Hauptmotive als beeindruckende Hochformate allmählich klar heraus, die tiefenfluchtende "Papageienallee" mit den flanierenden Besuchern (vgl. das gleichnamige Ölbild der Kunsthalle Bremen von 1902, Eberle 1902/27) und der "Papageienmann" mit der Darstellung des Wärters und den Vögeln als formatfüllendes Figurenbild, die Allee mit den Besuchern nun in den weiteren Hintergrund gerückt (vgl. das Gemälde im Folkwang Museum Essen, Eberle 1902/6).
"Während die anderen Maler die Tiere in ihren Bewegungen studieren oder sie als gefangene Schauobjekte zeigen, geht es Max Liebermann vor allem um die Stimmung, das Licht und die Farbe. [...] In parkartiger Landschaft flanieren die Besucher, der Hektik der Stadt entzogen, in sonntäglicher Ruhe. Über allem spielt das Sonnenlicht, während die tiefgrünen Bäume kühlen Schatten spenden. Liebermann schildert die moderne Gesellschaft in ihrer Freizeit, ein Thema, das die französischen Impressionisten vor drei Jahrzehnten erstmals als bildwürdig entdeckt hatten. [...] Nicht allein wegen des Themas, auch wegen der Malerei gilt die 'Papageienallee' als das Paradebeispiel für den Impressionismus Max Liebermanns. Es gehört zu seinen buntesten Bildern, und in der Farbe dürfte auch das eigentliche Interesse an den Papageien begründet sein." (Dorothee Hansen, op. cit., S. 29).
Nach Angaben von Matthias Eberle ist die vorliegende bisher unbekannt gebliebene Ölstudie zum "Papageienmann" vom Künstler später nachsigniert und aus der Erinnerung heraus auf das Jahr 1900 datiert worden, wobei er sich um ein Jahr getäuscht [?] haben könnte, wie Liebermann auch zwei andere bekannte und unserem Gemälde hier unmittelbar verwandte Ölstudien (vgl. Eberle 1901/5, 86,5 x 70 cm, ehemals Sammlung Henry Percy Newman, Hamburg und Eberle 1901/6, 97 x 69 cm, ehemals Oskar Hermes, München, beide heute in Privatbesitz), vorbereitend zu der großen Fassung im Museum Folkwang Essen, auf 1902 datierte (möglicherweise weil er sie in diesem Jahr im Berliner Atelier dann weiter ausführte und vollendete). Sowohl die "Papageienallee" wie eine dieser anderen Ölstudien zum "Papageienmann" (Eberle 1901/6) sind auf einem Berliner Atelierfoto, das 1902 publiziert wurde (s. Abb), wiedergegeben.
Nun dokumentiert der Biograph Hancke wahrscheinlich sehr verläßlich, daß sich der Künstler mit dem Motiv aus dem Amsterdamer Zoo im Sommer des Jahres 1901 beschäftigte:
"Nach Angaben von Liebermanns Biographen Erich Hancke, der keine genaue Zahl nennt ("mehrere Studien des Wärters") sind sie [...] im Sommer 1901 vor Ort entstanden, wurden später für den Verkauf genauer ausgeführt und nachdatiert." (M. Eberle in seinem Gutachten vom 16.12.2002)
Bei dieser nun lange Zeit unbekannten und verschollenen dritten Ölstudie zum "Papageienmann", die in den zwanziger Jahren in Berlin erworben und dann mit den Besitzern nach Südamerika ausgewandert seitdem in Privatbesitz dort verblieb, handelt es sich nach Eberle möglicherweise durchaus um die erste und früheste Ausführung des Motivs in diesem Medium, noch vor den anderen beiden bekannten. In dem hier vorliegenden Gemälde ist die Hauptfigur des Wärters noch weniger bewegt, er steht mit geschlossenen Beinen, hier zwei skizzierenden, chronologisch frühen Zeichnungen zum Thema (im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover und in der Städtischen Kunsthalle Mannheim, vgl. Dorothee Hansen, op. cit., S. 30 mit Abb. 3 bzw. 5) sehr verwandt (s. Abb.).
Werkverzeichnis
Eberle 1901/5a (Nachtrag)
Zertifikat
Mit einem Gutachten von Matthias Eberle, Berlin, vom 16. Dez. 2002
Provenienz
seit den 1920er Jahren in Familienbesitz, Privatsammlung Südamerika
Literaturhinweise
Erich Hancke, Max Liebermann, Berlin 1914, vgl. S. 403; Dorothee Hansen, Papageienmann und Papageienallee, Figur und Landschaft im Werkprozeß von Max Liebermann, in: Ausst. Kat. "Nichts trügt weniger als der Schein", Max Liebermann, der deutsche Impressionist, Kunsthalle Bremen, Bremen 1995/1996, vgl. S. 29 - 33, sowie "Die neue Leuchtkraft der Farbe - Die Papageienallee und das Landhaus in Hilversum 1901-1902", ebenda, S. 184; Barbara C. Gilbert, Max Liebermann: A Long and Fruitful Career, Ausst. Kat. Liebermann: From Realism to Impressionism, Los Angeles 2005, S. 43 und S. 91 mit Farbtafel 27
Ausstellung
Berlin (Verein Berliner Künstler), Nr. 1596 (rückseitiger Aufkleber); Wuppertal 2004 (Von der Heydt-Museum), Poesie des einfachen Lebens (Leihgabe); Los Angles/New York 2006 (Skirball Cultural Center/The Jewish Museum), Max Liebermann: From Realism to Impressionism, Nr. 27