Oskar Schlemmer - Bauplastik R - image-1

Lot 1070 D

Oskar Schlemmer - Bauplastik R

Auktion 950 - Übersicht Köln
05.12.2009, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 100.000 € - 150.000 €
Ergebnis: 126.000 € (inkl. Aufgeld)

Gipsrelief. 100 x 25,5 x 13,8 cm. - Posthumer Gipsguß. Eines von 5 bekannten Exemplaren, die unter der Aufsicht des Bildhauers Otto Baum nach dem Krieg hergestellt wurden; von diesen befanden sich 2 Exemplare in den Museumssammlungen der Staatsgalerie Stuttgart und in den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, 2 waren im Besitz der Künstler Willi Baumeister und Otto Baum. - Altersbedingt mit leichter Oberflächenverschmutzung und natürlicher Patina; eine kleinere Abbruchstelle fachmännisch restauriert.

von Maur P 10 (Abb. des Originalgipses mit Gipsblock)

Ausstellung u.a.

Karin von Maur vermutete, daß der erhaltene Originalgips mit dem bossierten Rand möglicherweise darauf hindeuten könnte, daß Schlemmer ursprünglich an eine Ausführung in Stein dachte. Von diesem frühen plastischen Schlüsselwerk des Künstlers entstanden posthum wenige Gipsgüsse (ohne den bossierten Rand des Gipsblocks) sowie nach 1959 eine Edition von 10 Aluminium-Exemplaren (von Maur P 10a; vgl. auch u.a. Ausst. Kat. Berlin 2009, op.cit., S. 135).
Eine erste Skizze der Figur, nach links gewendet, findet sich auf einem Tagebuchblatt Schlemmers von 1918 (Grohmann ZT 118); auch zwei Zeichnungen mit dem Titel "Figur von der Seite in aufgeteilten Formen" (Grohmann ZT 123, 124) beschäftigen sich mit dem Thema, das Schlemmer 1921 in dem Gemälde "Geteilte Jünglingsfigur" (von Maur G 117) in der Fläche kompositionell ausgestaltet. Diese Arbeiten zeigen eine formale Verwandtschaft zu "Bauplastik R", wenn auch das plastische Relief die menschliche Figur sehr viel stärker noch, buchstäblich körperhaft, gewandelt und abstrahiert hat.

Die "Reihe der Reliefs von 1919 [gipfelt] in der Bauplastik R, mit der Schlemmer nicht nur die Polychromie, sondern weitgehend auch die Flächengebundenheit verläßt. Auf der Vertikalachse eines schmalen Hochrechtecks erhebt sich eine nach rechts gewendete Jünglingsfigur, deren schlanke Umrisse auf elementare geometrische Grundformen reduziert sind. Aus ihren Proportionen ergibt sich ein tektonisches System aus kubischen Rechteckfeldern, gegeneinander versetzt zu beiden Seiten der teilenden und verbindenden Längsachse. Durch den rhythmischen Wechsel von konkaven und konvexen Partien wird die Fläche auf mehreren Ebenen in die Tiefe gestuft und überhöht. Auf diese Weise entsteht ein ebenso klares wie differenziertes Gefüge aus rechteckigen Hohlräumen, eingeschnittenen Konturen, scharfkantigen Graten und runden Wölbungen. Statt der Farben übernimmt hier das Licht die Funktion der aktivierenden Akzentsetzung: je nach Beleuchtung werden markante und wechselnde Kontraste von belichteten und verschatteten Partien erzeugt, die als dynamisches Element an der raumplastischen Gestaltung mitwirken.
Das profilierte Gliederungssystem, das die Gestalt durchdringt und ihre gesetzmäßige Proportionierung sichtbar werden läßt, wirkt in allen Teilen so konsequent, daß Figur und Konstruktion zu einer harmonischen Ganzheit zusammenwachsen.
Ein Sinnbild war geschaffen für den Menschen als Maß der Kunst, als Maßgeber einer vom Menschen und für den Menschen bestimmten Architektur." (Karin von Maur, Oskar Schlemmer, Das plastische Werk, op. cit., S. 27)

Werkverzeichnis

von Maur P 10

Provenienz

Privatbesitz Berlin, Geschenk Tut Schlemmers an den Vorbesitzer (1964)

Literaturhinweise

Paul Ferdinand Schmidt, Oskar Schlemmer, in: Jahrbuch der Jungen Kunst, Leipzig, 1921, Abb. S. 278; Julius Baum, Stuttgart als Kunststadt, in: Feuer, Jg. II, Heft 10, Weimar, Juli 1921, Abb. S. 553; Hans Hildebrandt (Hg.), Oskar Schlemmer, München 1952, S. 134, WK.NR.7, Abb. 117 (Gipsguss); Michel Seuphor, Die Plastik unseres Jahrhunderts, Köln 1955, Abb. S. 326; Karin von Maur, Oskar Schlemmer, Das plastische Werk, Stuttgart 1972, S. 27, Abb. S. 24 (Aluminium-Edition); Karin von Maur, Oskar Schlemmer, Monographie, München 1979, Abb. 79, S. 103 (Originalgips); Karin von Maur, Oskar Schlemmer, München 1982, Nr. 246, S. 120 mit Abb. (Originalgips)

Ausstellung

Stuttgart 1919 (Kunstgebäunde am Schlossplatz), Herbstschau Neuer Kunst, Üecht-Gruppe, Nr. 42 (Originalgips); Berlin 1920 (Der Sturm), Oskar Schlemmer, Willi Baumeister, Walter Dexel, Gesamtschau, 82. Ausstellung, Nr. 1 (Originalgips); Weimar 1923 (Das Staatliche Bauhaus), Oskar Schlemmer: Gemälde, Plastiken, Gouachen (Originalgips); München 1953 (Haus der Kunst), Oskar Schlemmer, Ausstellung zum Gedächtnis an seinen 10. Todestag, Nr. 240 (Gipsguss); Bern 1959, Nr. 157 mit Abb. (Gipsguss); Mannheim 1967, Nr. 68 mit Abb. 68 (Gipsguss); Straßburg 1968, L'Art en Europe autour de l'an 1918, Nr. 218, Abb. 46 (Gipsguss); Nürnberg 1969 (Kunsthalle) Biennale Nürnberg, Konstruktive Kunst - Elemente und Prinzipien, Nr. 5 (Gipsguss); New York 1969 (Spencer A. Samuels & Company, Ltd.), Oskar Schlemmer, Nr. 93 mit Abb. S. 158 (Gipsguss); Stuttgart 1977 (Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart im Württembergischen Kunstverein), Oskar Schlemmer, Kat. Nr. 246, Abb. S. 120 (Originalgips); Baltimore/ New York/ San Diego/ Minneapolis/ Amsterdam 1986/ 1987 (The Baltimore Museum of Art/ IBM Gallery of Science and Art, New York/ San Diego Museum of Art/ Walker Art Center/ Stedelijk Museum), Oskar Schlemmer, Nr. 51 mit Abb. S. 101 (Gipsguss); Mannheim 1988 (Kunsthalle Mannheim), Oskar Schlemmer, Wand-Bild, Bild-Wand, mit Abb. S. 137 (Gipsguss); Berlin 2009 (Martin Gropius Bau), modell bauhaus, mit Abb. S. 135 (Aluminium-Edition, Bauhaus-Archiv, Berlin)