Sigmar Polke - Ohne Titel - image-1

Lot 58 R

Sigmar Polke - Ohne Titel

Auktion 971 - Übersicht Köln
03.12.2010, 00:00 - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 380.000 € - 400.000 €
Ergebnis: 648.000 € (inkl. Aufgeld)

Acryl und Interferenzfarbe auf gemustertem Dekostoff 144 x 121 cm, mit Atelierleiste gerahmt. Unten rechts monogrammiert und datiert S.P. 93. Rückseitig auf der umgeschlagenen Leinwand signiert und datiert S. Polke 93.

"Die Tatsache meiner Geburt wäre ansonsten unerheblich für mein weiteres Schaffen, wenn ich nicht seither eine Sehschwäche besäße. Sie ist zwar nicht groß, aber eben diese Kurzsichtigkeit eröffnete mir - und das schon früh - den Zugang zu jener Welt des Rasters, die in meinem späteren Schaffen eine so große Bedeutung gewann [...] Es gehört noch heute zu meinen leidvollen Erinnerungen, wie an den langen Winterabenden nach dem Währungsschnitt die vielköpfige Familie freudig erregt über der frischen Ausgabe der 'Bäckerblume' zusammenrückte und sich einander in die Seiten stoßend zeigte, was sie 'leckere Brötchen', 'verführerische Hörnchen', 'grundehrliche Brote' usw. nannte; aber da, wo ihre Finger, von verzückten Rufen begleitet, hinwiesen, sah ich immer nur viele kleine tote schwarze Punkte! Mich verzweifelt näherdrängend, wurde ich obendrein noch verständnislos angefahren, - ob denn mein Vater vielleicht Vorsteher oder Glaser sei?! Das war hart für den Bub, der ich war, aber er lernte! Er lernte, dass der Sohn eines Glasers zu sein, wohl in den Augen der anderen etwas besseres bedeutet hätte, und so war es fortan mein innigster Wunsch, selber Glaser zu werden." (Sigmar Polke, Frühe Einflüsse, späte Folgen, in: Britta Schmitz (Hg.), Die drei Lügen der Malerei, Ausst.Kat. Kunst- und Ausstellungshalle Bonn, u.a., Berlin 1997, S.285).

"'Ich liebe alle Punkte' ironisierte Polke 1966. 'Mit vielen Punkten bin ich verheiratet. Ich möchte, daß alle Punkte glücklich sind. Die Punkte sind meine Brüder. Ich bin auch ein Punkt.' Indem er das Individuelle eines jeden Punktes betont, setzt Polke der Massenware einen deutlichen Gegenpol. Dennoch: Aus schwarzen Punkten zusammengesetzt, ist jedes Motiv dem anderen gleichwertig. 'Das Raster', so Polke, 'ist für mich ein System, ein Prinzip, eine Methode, Struktur. Es zerlegt, zerstreut, ordnet und macht alles gleich. (...). So verstanden, glaube ich, daß mein verwendetes Raster schon eine ganz bestimmte Sicht aufzeigt, eine allgemeine Situation und Interpretation ist: nämlich Struktur meiner Zeit, Struktur einer Gesellschaftsordnung, einer Kultur, genormt, geteilt, aufgeteilt, eingeteilt, gruppiert, spezialisiert.'" (Dörte Zbikowski, Polkes Wege zur Erneuerung der Kunst, in: Sigmar Polke, Werke aus der Sammlung Froehlich, Ausst.Kat. Museum für neue Kunst Karlsruhe, Ostfildern-Ruit 2000, S.119).

Provenienz

Galerie Ha.-Jo. Müller, Köln