Gerrit Dou
ALTER MALER IN SEINEM ATELIER
Öl auf Holz. 68,2 x 53,5 cm.
GDov 1649 (auf dem Buch).
Gerrit Dou war 36 Jahre alt, als er 1649 das Gemälde „Maler in seiner Werkstatt“ ausführte. Es zeigt einen alten Mann, der in konzentrierter Versunkenheit seiner Arbeit nachgeht. Seine Kleidung ist vornehm; über dem braunen Jackett trägt er einen dunkelgrauen Umhang, wie ihn damals Gelehrte trugen, dazu ein Barett aus rot-braunem Samt. Was der Mann malt, können wir wegen der Position von Staffelei und Leinwand nicht erkennen. Es könnten die Gegenstände sein, die auf einem Tisch im Vordergrund ausgebreitet liegen, allerdings sind diese zum Betrachter hin ausgerichtet und somit für den Maler nicht in gleicher Weise zu sehen.
Die Szene findet in einem hohen Raum statt, der durch ein Fenster auf der linken Seite beleuchtet wird. Das einfallende Licht hebt den Kopf des Malers hervor, einen Messingkrug, dessen glänzende Oberfläche es zurückreflektiert, und einen gerafften, kupferfarbenen Vorhang rechts im Bild. Würde dieser zugezogen werden, wäre die Szene nicht mehr zu sehen. Damit erscheint der Bildausschnitt wie auf einer Theaterbühne inszeniert.
Das Gemälde ist in mehrfacher Hinsicht ein ungewöhnliches Werk von Gerrit Dou. Mit 68 x 53 cm gehört es zu den wenigen „großen“ Bildern aus seiner Hand. Die Komposition wiederum ist weniger kleinteilig als bei seinen anderen Werken. Während diese zudem meistens sehr farbig sind, zeichnet sich dieses Bild durch eine fein abgestufte, äußerst raffinierte Farbpalette aus, die auf diversen braunen, grauen, gold- und kupferfarbenen Tönen aufbaut und zu denen Weiß und ein dunkles Blau im Kontrast hinzukommen.
Der entscheidende Unterschied zum allergrößten Teil von Dous Gemälden liegt jedoch in der Tatsache, dass es sich hierbei nicht um ein Genrebild handelt und auch nicht um ein Selbstbildnis - die Dou mehrfach auch ausgeführt hat.
Eric Sluijter und Ronni Baer haben sich mit der Ikonographie dieses Bildes beschäftigt und festgestellt, dass es eine Allegorie der Malkunst darstellt. Dou breitet hier in selbstreferenzieller Weise seine Vorstellung über die Malerei aus. Mit 15 Jahren war er zu Rembrandt in die Werkstatt gekommen und hatte in seiner unmittelbaren Nähe bis zu dessen Wegzug 1631 nach Amsterdam gearbeitet. Er blieb sein Leben lang in Leiden im selben Haus wohnhaft. Trotz des großen Erfolges lebte er einfach und unverheiratet. Sein Leben galt ausschließlich der Malerei, der er sich mit Fleiß, Geduld und Hingabe widmete. Das dürfte auch für den Maler auf diesem Gemälde zutreffen.
Darüber hinaus aber beginnt die Entstehung eines Werkes der Malkunst mit der Inspiration, die hier dargestellt wird durch den fliegenden, seinen Pfeil abschießenden Putto. Ihre Aufgabe ist die „Imitatio“, die Nachahmung der Natur, für die die im Vordergrund ausgebreiteten Gegenstände stehen. Der große Maler sollte sich auch mit der Kunst und Poesie selbst beschäftigen, die in Gestalt der Gipsbüste, des aufgeschlagenen Buches und des Musikinstrumentes erscheinen.
Sluijter (op.cit.) bemerkt, dass Gerrit Dou hier den Pfau bewusst als Demonstrationsobjekt für den Wettstreit zwischen „natura“ und „pictura“, zwischen Natur und Malerei, wählte, und wir dürfen auch annehmen, dass er sich mit der Nachahmung der Natur im Sinne einer Überwindung ihrer Vergänglichkeit auseinandergesetzt hat. Während das farbenprächtige Gefieder des Pfaus, dass die Natur nicht lange zu bewahren imstande ist, in der Malerei festgehalten, gewissermaßen „eingefroren“ werden kann, ist der Pfau selbst seinem vergänglichen Schicksal bereits unterworfen.
Interessant ist darüberhinaus, dass das dominant im Vordergrund platzierte Tier seit der Antike als ein Symbol der Eitelkeit galt. Eitelkeit, so verstehen wir Dou, schadet dem Maler, Geduld hingegen ist eine seiner Grundbedingungen. Auf sie weist die Illustration der aufgeschlagenen Buchseite hin, die die biblischen Gestalten Tobit und Anna zeigt: Geduldig auf seinen Sohn wartend hütet Tobit das Feuer, während Anna als endlose Aufgabe einen Wollfaden spinnt.
Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Gemäldes, das Ronni Baer als „eines seiner schönsten“ bezeichnet (op. cit.), gehörte Dou bereits zu den in ganz Europa bekannten Malern, dessen Werke äußerst gefragt und teuer waren. Er galt als der Begründer der sogenannten „Leidener Feinmalerei.“ Als er 28 Jahre alt war, hatte sein Gönner, der Historiker und Bürgermeister von Leiden Jan Orlers, ihn als einen Maler gewürdigt, dessen Stil von allen jungen Malern nachgeahmt werden sollte. In der Tat hat eine Vielzahl von Künstlern der nachfolgenden Generation seinen präzisen Malstil und seine reizvollen „Fensterbilder“ übernommen, samt der für sie typischen Einzelmotive.
Gerrit Dou was 36 years old when he produced the painting 'Painter in his Studio' in 1649. It shows and old man lost in concentration on his work. He is elegantly dressed in a grey cloak over a brown jacket, such as the scholars used to wear, together with a beret of red-brown velvet. Because of the position of the easel and canvas we are unable to see what the man is painting. It could be the objects laid out on the table in the forground, but these are directed at the viewer and therefore wouldn't be seen in the same way by the painter.
The scene is set in a tall room, lit by a window on the left hand side. The falling light accentuates the head of the painter, which is reflected in the shiny surface of a bronze tankard, and a gopper-coloured, gathered curtain on the right. If the curtains were drawn, the scene would hidden, therefore giving the feeling of an excerpt on a theatre stage.
The painting is, in many ways, an unusual work by Gerrit Dou. Measuring 68 x 53 cm it belongs to the very few 'large' pictures from his hand. The composition on the other hand is less detailed than his other works. Where these are mostly very colourful, this work offers a finely graduated, particularly subtle colour palette built from various tones of brown, grey, gold and copper with white and dark blue lending contrast.
The key difference to the great part of Dou's paintings lies in the fact that it is not a genre picture, and also not a self-portrait - of which Dou had produced many.
Eric Sluitjer and Ronni Baur have studied the iconography of this picture and have established that it depicts an allegory to the art of painting. In a self-referential way, Dou is displaying his interpretation of painting. At the age of 15 he entered Renbrandt's workshop and worked in close proximity to him up until he left for Amsterdam in 1631. He lived his whole life in the same house in Leiden, and despite great success, he lived simply and never married. His life consisted only of painting, at which he worked with great diligence, patience and devotion. The same could also be said for the painter in this picture. The emergence of a work of the art of painting also begins with inspiration, represented here by the flying Putto, shooting his arrow. His job is the 'imitatio', the imitation of nature, for which the objects laid out in the forground stand. The great painter must also study art and poetry himself, here reflected in the arrangement of the plaster busts, the open books and the musical instruments.
Sluijter noted that Gerrit Dou deliberately chose the peacock here to demonstrate the competition between 'natura' and 'pictura', between nature and painting. Here it may also be read that in the representation of nature we are overcoming its transience. Whilst the colourful feathers of the peacock are preserved or frozen in painting, something which nature is incapable of doing, the peacock itself has already been subjected to its temporary fate.
It is also interesting to note that this animal, dominantly placed in the forground, has been a symbol of vanity since the Antiquity. According to Dou, vanity damages the painter, whereas patience should be one of its principles. This is represented by the illustration in the open book which shows the biblical characters of Tobit and Anna: patiently waiting for his son, Tobit tends to the fire whilst Anna has the endless task of spinnging wool.
At the time this work was painted, described by Ronni Baer as 'one of his most beautiful', Dou was of those painters, famous in all Europe, whose works were particularly in demand and expensive. He was said to be the founder of the so-called 'Leidener fine painters'. At the age of 28 his patron, the historian and Mayor of Leiden, Jan Orler, named him as a painter, whose style should be imitated by all young painters. In fact, many artists of the following generations absorbed his precise painting style and his appealing 'window pictures' together with his typical representation of single motifs.
Provenienz
Kurfürstliche Galerie, München. - München, Alte Pinakothek. - Kunsthandel Hoogendyk, Amsterdam. - Sammlung A. Jurgens, London. - Christie´s London 12.3.1948, Nr. 136. - D.M.K. Marendaz, London 1948. - Versteigerung dieser Sammlung, Sotheby´s London, 11.7.1973. - Galerie St. Lukas, Wien. - Deutsche Privatsammlung.
Literaturhinweise
C. Hofstede de Groot: Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII. Jahrhunderts, 1907, Bd. I, S. 437, Nr. 317. - W. Martin: Gerard Dou. Des Meisters Gemälde, Stuttgart-Berlin 1913, S. 58. - R. Hunnewell: Gerrit Dou´s Selfportraits and Depictions of the artist, Diss. Boston University 1983, S. 189-193. - C. Brown: Images of a golden Past, New York 1984, S. 215. - R. Baer: The paintings of Gerrit Dou, Dissertation New York University 1990, Nr. 50. - Eric Sluijter: De lof der Schilderkunst, Hilversum 1993f, S. 23, Abb. 6. - Stephanie Sonntag: Ein Schauspiel der Malkunst, München/Berlin 2006, S. 85 und 301.
Ausstellung
London 1980.