Martin Parr gilt als einer der wichtigsten Chronisten der Gegenwart. Mit seinem einzigartigen Blick auf den menschlichen Alltag hat der englische Fotograf eine ganze Generation geprägt. Seine Bilder zeigen oft das, was niemand sehen möchte und faszinieren mit ihrem Gespür für das Schrille und Groteske.
(...) WeiterlesenMartin Parr - Studium in Manchester, erste Ausstellung in York
Martin Parr wurde am 23. Mai 1952 in Epsom, Surrey geboren. Das früh erwachte Interesse an der Fotografie wurde von seinem Großvater George Parr gefördert, der sich selbst als Amateurfotograf betätigte. 1970 begann Martin Parr ein Studium der Fotografie an der neu gegründeten Manchester Polytechnic (heute Manchester Metropolitan University). 1973 arbeitete Parr nach seinem Abschluss für drei Monate für den Manchester Council for Community Relations und widmete sich seiner ersten eigenen Ausstellung, die unter dem Titel Home, Sweet Home in der Impressions Gallery in York stattfand. Seine Heimat spielte auch nach dem internationalen Durchbruch eine wichtige Rolle für Parrs Schaffen. Viele seiner Motive hat er in Großbritannien gefunden. Er selbst meinte dazu, dass ihn die Briten ihrer Vielseitigkeit wegen faszinierten – und weil er selbst Brite sei.
Räume für Hässliches und Schönes in Farbe und Schwarz-Weiß
Martin Parr setzte seinen Schwerpunkt zunächst auf die Schwarz-Weiß-Fotografie und arbeitete vor allem bei natürlichem Tageslicht. In den 1980er Jahren kam es zu einem radikalen Stilwechsel: Martin Parr fotografierte in Farbe und – als einer der ersten Fotokünstler überhaupt – mit Blitzlicht. Der Künstler selbst sieht zwischen beiden Arbeitsweisen keinen großen Unterschied: Es gehe ihm immer darum, ein räumliches Bewusstsein zu schaffen. Allenfalls könne man festhalten, dass seine Schwarz-Weiß-Bilder eher positive Aspekte der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellten, während seine Farbaufnahmen ein kritischeres Gewicht besäßen. Kritik hat auch Martin Parr selbst erhalten für die Wahl seiner Motive: Er mache sich mit seiner eigenwilligen Themenwahl lustig über seine Modelle, gebe diese bewusst der öffentlichen Lächerlichkeit preis. Obwohl Parr die bewusste Provokation durch alltägliche Klischees und Extremsituationen durchaus einräumt, weist er diesen Vorwurf zurück und betont, dass es ihm vor allem darum ginge, die guten und schlechten Aspekte aller Dinge vorurteilsfrei darzustellen. Er setzt die Extreme ins Bild, ohne sie zu werten. Seit 2006 benutzt Parr dafür auch Digitalkameras, an denen er vor allem die Möglichkeit schätzt, jedes neue Bild auf dem Display vorab sehen zu können.
Die Suche nach dem Außergewöhnlichen im Alltäglichen
Martin Parr verwischt mit seiner unverwechselbaren Bildersprache die Grenzen zwischen kommerzieller, künstlerischer und dokumentarischer Fotografie und hat damit Generationen von jungen Fotografen beeinflusst. Ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit ist das gespannte Warten und aufmerksame Suchen nach dem Außergewöhnlichen im Alltäglichen – und das Einkalkulieren zahlreicher Fehlversuche: Er selbst wisse eigentlich gar nicht, wie man ein großartiges Foto schieße, sagt der Künstler nicht ohne Koketterie. Wenn er das wüsste, würde er sofort aufhören. Die meisten seiner Bilder seien nicht wirklich gut. Martin Parr hat an über 80 Ausstellungen in Europa und Nordamerika teilgenommen und über 100 Bildbände veröffentlicht. Er ist außerdem leidenschaftlicher Sammler von optisch außergewöhnlich gestalteten Dingen, besitzt Memorabilien über Margaret Thatcher, Saddam Hussein und Osama bin Laden. Fotografieren und Sammeln sind für Parr lediglich zwei unterschiedliche Seiten des Dokumentierens und ergänzen einander. Parrs künstlerischer Antrieb ist die Neugier – auf die Welt, auf Ungesehenes, Unerfahrenes, Ungewöhnliches. Für sein fotografisches Werk erhielt Martin Parr Preise und Auszeichnungen, darunter 2006 den Erich-Salomon-Preis, 2008 den Baume et Mercier Award und 2017 den Sony World Photography Award.
Martin Parr - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: