Florence Henri - Klavierstudium in Rom, Malunterricht in Berlin und Paris
Florence Henri wurde am 28. Juni 1893 als Tochter eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter in New York geboren. Nach dem frühzeitigen Tod der Mutter zog sie mit ihrem Vater erst nach Schlesien, wo die Familie ihrer Mutter lebte, dann nach Paris, nach München und Wien, bis schließlich die Isle of Wright vor der Südküste Großbritanniens ihre zeitweilige Heimat wurde. Zur Fotografie gelangte Florence Henri nur über Umwege: Zunächst begeisterte sie sich mehr für Musik und entschied sich für eine Laufbahn als Pianistin. In Rom, wo sie nach dem Tod ihres Vaters bei ihrer Tante Anni und deren Ehemann, dem italienischen Dichter Gino Gori, lebte, begann sie ein Klavierstudium. Nach dessen Abschluss wandte sich die allgemein musisch begabte und interessierte Florence Henri noch der Malerei zu, lernte in Berlin den Kunstkritiker Carl Einstein und den Galeristen Herwarth Walden kennen, besuchte die Kunstakademie und nahm zusätzlichen Unterricht bei dem lettisch-deutschen Landschafts- und Porträtmaler Johann Walter-Kurau. In Paris schrieb sie sich an der Académie Moderne ein, wo sie bei Fernand Léger und Amédée Ozenfant ihre Kenntnisse der Malerei vertiefte.
Begegnung mit der Fotografie am Bauhaus in Dessau
Florence Henri reiste 1927 nach Dessau, um sich dem Bauhaus anzuschließen. Schon früher hatte sie die Bauhaus-Künstler László Moholy-Nagy und Georg Muche getroffen und große Begeisterung für die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer gezeigt. László Moholy-Nagy nahm die junge Künstlerin in seinem Haus auf und machte sie mit seiner ersten Frau Lucia bekannt. Die beiden Frauen schlossen Freundschaft und Lucia Moholy führte Florence Henri in die Fotografie ein. Das Ehepaar Moholy-Nagy lehrte ihren Hausgast die wichtigsten Grundtechniken, brachten ihr Effekte wie Fotomontage und Mehrfachbelichtung bei. Obwohl sie am Bauhaus noch Malunterricht von Josef Albers erhielt, gehörte ihr Hauptinteresse jetzt eindeutig der Fotografie, deren weiterführende Kenntnisse sie sich vorwiegend autodidaktisch aneignete. Henri erregte bereits mit ihren ersten fotografischen Arbeiten Aufmerksamkeit und konnte ab 1929 an mehreren Fotografie-Ausstellungen teilnehmen, darunter die bahnbrechende Ausstellung Film und Foto (FiFo), die der Deutsche Werkbund in Stuttgart ausrichtete.
Eine Ikone der fotografischen Avantgarde
Florence Henri kehrte schließlich nach Paris zurück und eröffnete dort ihr eigenes Fotoatelier. In der Pariser Kunstszene entwickelte sie sich zu einer festen Größe, es kam zu fruchtbaren Begegnungen mit einflussreichen Fotokünstlern wie Man Ray, André Kertész und Germaine Krull. Ihre ausgeprägte Experimentierfreude führte zu der Entwicklung eines individuellen Stils, der einerseits in der Ästhetik des Bauhauses verwurzelt war, andererseits aber auch eine deutliche Nähe zu Dadaismus und Surrealismus aufwies. Neben ihrer künstlerischen Fotografie betätigte sich Florence Henri zum Zwecke des Broterwerbs als Werbe-, Mode- und Porträtfotografin; zu ihren Modellen zählten Wassiliy Kandinsky, Robert Delaunay und Hans Arp; die amerikanische Fotografin Lisette Model war ihre Schülerin. Der Zweite Weltkrieg erschwerte Henris Arbeit sehr; ihr künstlerischer Ansatz missfiel den nationalsozialistischen Besatzern und die für das Fotografieren notwendigen Materialien waren nur schwer aufzutreiben. Während ihre in den 1920er und 1930er Jahren entstandenen fotografischen Experimente nach dem Zweiten Weltkrieg als ikonische Werke der Avantgarde gefeiert wurden, hatte sich die Künstlerin selbst längst wieder der Malerei zugewandt und fotografierte nur noch während ihrer Reisen zum eigenen Vergnügen. Ihre Reisefotografien werden gemeinhin ausdrücklich nicht zu ihrem künstlerischen Werk gezählt.
Florence Henri starb am 24. Juli 1982 in Compiègne, Frankreich.
Florence Henri - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: