Anton Corbijn - Ein Handicap als ästhetisches Markenzeichen
Anton Corbijn wurde am 20. Mai 1955 in Strijen in den Niederlanden geboren. Der Sohn eines Pfarrers und einer Krankenschwester wuchs nach eigenem Bekunden in einem tief protestantisch geprägten Umfeld auf und brachte seinem an der christlichen Morallehre orientierten Vater große Bewunderung entgegen. Sein künstlerischer Ansatz wird von dieser Haltung geprägt: Das Wichtigste bei seiner Arbeit sei die Suche nach Menschlichkeit, erklärte Anton Corbijn auf die Frage nach dem Geheimnis seiner erfolgreichen Kunst. Ausdrücklich nennt er seine Fotografie »protestantisch«. Auffällig ist die oft grobkörnige Schwarz-Weiß-Ästhetik der Bilder, die heute für Corbijns Werk charakteristisch ist, zu Beginn seiner Karriere aber nicht von allen Seiten Beifall fand. Diese künstlerische Entscheidung war der wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet: Anton Corbijn verfügte schlicht nicht über die nötigen Mittel, um sich eine Farbkamera zu leisten. Erst später erkannte Corbijn den künstlerischen Wert dieser anfänglichen Notlösung und entschied sich bewusst dafür, seinen Stil beizubehalten. Einer seiner frühen Auftraggeber, die Plattenfirma Ariola, empfand die Bilder als zu dunkel und kündigte frühzeitig die Zusammenarbeit – eine fatale Fehleinschätzung.
Die Bildauswahl ist Teil des künstlerischen Prozesses
Anton Corbijn begann seine Karriere als Musikfotograf recht unspektakulär in einem Café in Groningen, in dem die niederländische Band Herman Brood & His Wild Romance auftrat. Corbijn fotografierte und überzeugte auf Anhieb mit seinem Gefühl für Intimität und Perspektive. Corbijn, der bis heute häufig ohne Assistenten arbeitet, betrachtet die Fotografie als einen Akt der Begegnung zwischen ihm und seinem Modell. Während des Fotografierens reduziert er seinen Einfluss auf ein Minimum, er manipuliert die Lichtverhältnisse nicht, verzichtet weitgehend auf Inszenierung und Komposition. Corbijn fotografiert nicht im Studio, sondern achtet darauf, dass sich seine Modelle in ihrem natürlichen Umfeld befinden. Auf diese Weise möchte der Fotograf den Musikern als Menschen begegnen. Besonderen Wert legt Anton Corbijn auf die Bildauswahl als Teil des künstlerischen Prozesses: Er selbst will entscheiden, welche Bilder für eine Veröffentlichung infrage kommen und überlässt die Auswahl nicht den zuständigen Redakteuren.
Als Rockfotograf wurde Corbijn selbst zum Star
Anton Corbijn schaffte seinen Durchbruch in den 1970er-Jahren in England, wo er ein weltberühmtes Bild der Band Joy Division machte: Es zeigt, wie Sänger Ian Curtis sich von seinen Kollegen abwendet. Nach Curtis' Selbstmord erhielt die Fotografie eine tragische Bedeutung und wurde millionenfach gedruckt. Die Band Joy Division stand auch im Mittelpunkt von Anton Corbijns erster Regiearbeit: Der 2007 veröffentlichte Film Control erzählt die Geschichte der Band nach den Erinnerungen von Curtis' Ehefrau Deborah. Eng verbunden ist Corbijn mit den Bands Depeche Mode und U2, für die er mehrfach als Art Director tätig war und Bühnenbilder entworfen hat. Zahlreiche Plattencover gehen auf Fotografien von Corbijn zurück, darunter Alben von Depeche Mode, U2, Bee Gees, Metallica, Mansun, Nick Cave, Travis, James Last, Therapy? und Herbert Grönemeyer. Viele Bekanntschaften mit Musikern knüpfte Corbijn während seiner Zeit bei der britischen Musikzeitschrift New Musical Express. Inzwischen ist Corbijn selbst Teil der Popkultur und ein gefeierter Star. Wenn er noch fotografiert, dann meistens analog – digitale Kameras nutzt er nur für kommerzielle Arbeiten. An der analogen Fotografie schätzt er das gespannte Warten auf das fertige Bild, den Hauch des Abenteuers, den die moderne Digitaltechnik verloren hat.
Anton Corbijn lebt heute in Den Haag.
Anton Corbijn - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: