Henri de Toulouse-Lautrec - Strenggläubige Mutter, Krankheit und Unfälle
Henri de Toulouse-Lautrec wurde am 24. November 1864 in Albi geboren. Die Kindheit des aus adeliger Familie stammenden Künstlers wurde geprägt durch die Erziehung seiner strenggläubigen Mutter und überschattet durch eine Erbkrankheit – seine Eltern waren nahe Verwandte –, die im Verbund mit zwei schweren Beinbrüchen zu einem stark eingeschränkten Wachstum führte: Henri de Toulouse-Lautrec kam nie über eine Körpergröße von 1,52 Metern hinaus. Als Rekonvaleszent häufig ans Bett gefesselt, fand er im Zeichnen eine sinnvolle Beschäftigung und Zerstreuung. Der taubstumme Tiermaler und Bildhauer René Princeteau, ein Freund der Familie, führte den jungen Henri während eines Paris-Aufenthalts in die grundlegenden Techniken der Malerei ein. Schon bald entstanden erste Ölgemälde, auf denen er das herrschaftliche Leben seiner adeligen Eltern zeigte – vorwiegend Jagdszenen und immer wieder Pferde. Mit Einwilligung seiner Eltern brach er die Schulbildung schließlich ab, um sich ganz der Malerei zu widmen.
Edgar Degas und Paul Gauguin als prägende Vorbilder
Henri de Toulouse-Lautrec fand in dem Pariser Modemaler Léon Bonnat einen strengen Mentor, der sich nicht übermäßig begeistert vom Talent seines Schützlings zeigte, ihn aber immer wieder durch seine fordernde Kritik anspornte. Diese vermisste Toulouse-Lautrec bei seinem zweiten Lehrer, dem heute in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Salonmaler Fernand Cormon, gänzlich und schmerzhaft – stattdessen sammelte er Anregungen durch ein intensives Studium der Werke von Édouard Manet, Pierre-Auguste Renoir und vor allem Edgar Degas, der neben Paul Gauguin und der unter Impressionisten beliebten japanischen Holzschnittkunst zu den bedeutendsten Vorbildern Toulouse-Lautrecs gehörte. Obwohl der junge Künstler zunächst den akademischen Vorgaben seiner Zeit folgte, entwickelte er doch zunehmend einen eigenen Stil, worin ihn zahlreiche Künstlerfreunde, zu denen Émile Barnard, Louis Anquetin und Vincent van Gogh zählten, bestärkten. Seine Freunde führten ihn auch in jenes Milieu ein, das für Henri-Toulouse de Lautrec so überaus bedeutsam wurde: die Halbwelt der Künstler und Dirnen auf dem Montmartre.
Als Bohémien auf dem Montmartre und im Moulin Rouge
Henri de Toulouse-Lautrec fühlte sich immer stärker zum lebenshungrigen Milieu der Künstler hingezogen und ließ sich schließlich selbst auf dem Montmartre nieder, zunächst nahe dem Tanzlokal Reine Blanche, das wenige Jahre später von einem Neubau verdrängt wurde – dem Moulin Rouge. Durch die belgische Künstlergruppe Les Vingt kam Henri de Toulouse-Lautrec zu einer regen Ausstellungstätigkeit, die sich bald auch auf den Salon des Indépendants erstreckte und für die er immer häufiger Motive aus der Zirkus- und Vergnügungswelt wählte. Diese trafen den Nerv der Zeit und machten ihn schnell hochberühmt; er befreundete sich mit der Sängerin Yvette Guilbert, malte eine ikonische Darstellung des Nachtklubbesitzers Aristide Bruant und pflegte eine flammende Affäre mit Suzanne Valadon; eines seiner berühmtesten Modelle war die Sängerin Jane Avril. Mit seiner Vervollkommnung der Plakatkunst ebnete Henri de Toulouse-Lautrec weiteren stilistischen Entwicklungen den Weg. Auch wenn er seine Modelle zweifellos karikierte, ging es ihm nie darum, sie der Lächerlichkeit preiszugeben – für den selbst von Krankheit und Gebrechen gezeichneten Toulouse-Lautrec äußerte sich vielmehr das Menschsein eines jeden Individuums gerade in den zugehörigen charakteristischen Schwächen. Er spottete nicht, sondern er sah und respektierte die Wirklichkeit, indem er sie ins Unwirkliche und damit Zauberhaft-Träumerische überzeichnete. Er schuf ein visuelles Varieté, das mit seiner eigenen Lebenslust und Lebenstragik korrespondierte.
Früher Tod und beachtliches Nachleben
Henri de Toulouse-Lautrec hatte aufgrund seines unsteten, ausschweifenden Lebenswandels bald mit Alkoholsucht und Syphilis zu kämpfen. Eine Entziehungskur brachte nicht mehr den gewünschten Erfolg: Henri de Toulouse-Lautrec starb am 9. September 1901 auf Schloss Malromé, dem Besitz seiner Mutter, in Gironde. Sein Leben wurde mehrfach verfilmt, erstmals 1952 von John Huston, der den Roman von Pierre La Mure als Vorlage nutzte. Bereits 1922 wurde das Musée Toulouse-Lautrec in seinem Geburtsort Albi eröffnet, in dem bis heute vorwiegend das Werk des Namensgebers zu bewundern ist. Der künstlerische Nachlass ist gewaltig, umfasst rund 700 Gemälde, etwa 5.000 Zeichnungen und an die 400 Lithografien. Noch im Jahr 2000 zeugt die Benennung eines Asteroiden nach Toulouse-Lautrec von der ungebrochenen Faszination für einen Künstler, der mehr war, als nur die Summe seiner Werke: die Verkörperung einer ganzen Epoche und ihrer Gesellschaft.
Henri de Toulouse-Lautrec - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: