Alighiero Boetti, auch bekannt unter seinem zeitweiligen Pseudonym Alighiero e Boetti, vermaß und kartografierte die Welt auf seine eigene Art. Mit seinen unverwechselbaren gestickten Karten, den Mappa, erlangte der italienische Künstler internationale Bekanntheit und beförderte einen neuen Blick auf fremde Kulturen.
(...) WeiterlesenAlighiero Boetti - Als Autodidakt auf dem Weg zur Kunst
Alighiero Boetti wurde am 16. Dezember 1940 in Turin geboren. Der Sohn eines Rechtsanwalts und einer Violinistin zeigte schon früh ein weit gestecktes Interessengebiet, das so unterschiedliche Themen wie Alchemie, Esoterik, Mathematik, Musik und Philosophie umfasste. Neben dem literarischen Werk von Hermann Hesse beschäftigte er sich außerdem mit den Gemälden von Paul Klee. Abseits dieser Liebhaberei kam Alighieri Boetti als vollständiger Autodidakt zur Kunst. Diese begeisterte ihn aber schließlich so sehr, dass er sein Studium an der Universität Turin ohne einen ordentlichen Abschluss beendete, um eine Laufbahn als Künstler einzuschlagen. Bei seinen ersten schöpferischen Gehversuchen beeinflussten ihn Mark Rothko, Nicolas de Staël, Arshile Gorky und Lucio Fontana, auch zeigte er sich stark beeindruckt von den Arbeiten des deutschen Fotografen, Malers und Grafikers Wols. Auf der Suche nach seiner persönlichen künstlerischen Identität kam Alighiero Boetti im Alter von 20 Jahren nach Paris, wo er sich zum Graveur ausbilden ließ.
Eine Deutung der Welt mit gestickten Karten
Alighiero Boetti setzte sich während seines Aufenthalts in Paris intensiv mit der Objektkunst von Jean Dubuffet auseinander. 1964 heiratete er die Schriftstellerin und Kunstkritikerin Annemarie Sauzeau, mit der er einen Sohn Matteo und eine Tochter Agata bekam. Zu Beginn der 1970er-Jahre unternahm er mehrere Reisen, die ihn nach Äthiopien, Guatemala und in den Sudan führen. Die fremdartigen Kulturen jenseits der vertrauten westlichen Welt faszinierten und begeisterten Alighiero Boetti, wobei er besonders für Pakistan und Afghanistan eine große Zuneigung entwickelte. Die kriegerischen Auseinandersetzungen, die den Nahen Osten erschütterten, regten den Künstler zu der Arbeit mit Karten der betroffenen Kriegsgebiete an. Mithilfe seiner Frau entstand die erste gestickte Mappa, eine Karte, die den Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 nachzeichnete. Es war ein erster zaghafter Versuch, auf den eine ganze Werkserie folgte, die weltweit große Beachtung fand. Mit den Stickarbeiten für seine Mappa beauftragte Alighiero Boetti die Frauen einer Stickschule in Kabul, ehe ihm aufgrund der politischen Entwicklungen der Zugang nach Afghanistan verwehrt wurde. Die Auswahl der Farben überließ er den Stickerinnen, was mitunter zu erstaunlichen Ergebnissen führte: So ist auf einer Karte der Ozean nicht blau, sondern eher rot dargestellt, weil die Handwerkerinnen keine Erfahrung mit kartografischen Konventionen besaßen.
Der Künstler im Diskurs mit sich selbst
Alighiero Boetti gebrauchte für seine künstlerische Arbeit häufig das Pseudonym Alighiero e Boetti, das für ihn weniger Spielerei, als ernst gemeinter Ausdruck der Reflexion und Selbsthinterfragung war. Das e (italienisch und) sollte eine Partnerschaft und einen Austausch zwischen seinen beiden Identitäten suggerieren. Dieser Diskurs verlief nach mit kühler Mathematik kalkulierter Präzision, ein Vermächtnis seiner frühen Interessen. Neben den charakteristischen Stickkarten gehören die Kugelschreiberbilder zu den bekannten Werken Alighiero Boettis. Für sein letztes großes Projekt arbeitete Alighiero Boetti mit der iranischen Künstlerin Mahshid Mussari zusammen, die ihm beim Sammeln der Motivvorlagen behilflich war. Die Fertigstellung des Kunstwerks zog sich über zehn Monate hin – da war Boetti bereits seinem Hirntumor erlegen.
Alighiero Boetti starb am 24. April 1994 in Rom.
Alighiero Boetti - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: