Anselm Reyle liebt Fundsachen. Er entdeckt sie, sammelt sie, löst sie aus ihrer ursprünglichen Funktion, gestaltet sie um und setzt sie in einen neuen Zusammenhang. So entstehen Bilder, Skulpturen und Installationen ganz verschiedener Anmutung, die ihren Schöpfer zu einem der erfolgreichsten deutschen Gegenwartskünstler machen.
(...) WeiterlesenAnselm Reyle findet seine Kunst auf der Straße
Anselm Reyle wurde 1970 in Tübingen geboren. Nach einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner entschied er sich für ein Kunststudium an den Akademien in Stuttgart und Karlsruhe. Im Anschluss zog er nach Berlin, wo er mit Berta Fischer, Dieter Detzner, John Bock und dem 2002 tragisch verunglückten Michel Majerus eine Ateliergemeinschaft bildete. Im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit von Anselm Reyle steht das Objet trouvé, das er mit Materialien aus der städtischen Wegwerfkultur ergänzt und kombiniert. Aus Müll macht Reyle Kunst, und das so gekonnt, dass der Ursprung der verwendeten Komponenten oft auch auf den zweiten Blick nicht auszumachen ist. Bewusst will der Künstler augenfällige Effekte erzielen, sein Publikum beeindrucken – und das mit möglichst einfachen Mitteln. Je schlichter seine kreativen Gleichungen ausfallen, desto lieber ist es ihm – komplexe Konstruktionen überlässt er anderen. Berühmt wurde er mit seinen Streifenbildern, für die er teils ganz bewusst auf unpassende Farbkombinationen setzt, sowie mit den foil pantings, in farbige Plexiglasboxen eingepasste Bilder, die der Künstler mit Folie versiegelt.
Mit abstrakter Kunst gegen Dekadenz und bürgerliche Ideale
Anselm Reyle kritisiert mit seiner Kunst auch die Dinge, die ihm nicht gefallen – das sind die Dekadenz der westlichen Konsumgesellschaft und die überkommenen Ideale eines von ihm als eingestaubt empfundenen Bürgertums. Allerdings übt der Künstler seine Kritik nicht verbissen aus, sondern mit dem ironischen Augenzwinkern eines Mannes, der mit sich selbst im Reinen ist und die eigene Arbeit durchaus reflektiert betrachtet. Manchmal gibt er seinen Mitarbeitern einen Anstoß und sieht dann von außen eine Zeit lang interessiert zu, welche Dynamik sich ohne sein Zutun entwickelt. Er selbst ist neuen Einflüssen stets zugänglich, im Werk von Anselm Reyle finden sich zahlreiche Bezüge auf Kubismus, Informel, Minimal, Op-Art und Pop Art. Dabei übersteigert der Künstler gern die übernommenen Formen und hinterfragt sie damit. In Anlehnung an Alexander Archipenko, Hans Arp und Henry Moore entstanden die »Afrikanischen Skulpturen«, abstrakte Nachahmungen von touristischem Tand.
Auszeit aus finanziellen und kreativen Gründen
Anselm Reyle scheut für seine Kunst keinen Aufwand: Zeitweilig beschäftigte er bis zu 50 Mitarbeiter in seinem Atelier – ein durchaus kostspieliges Unterfangen, das im Jahr 2014 aber vorläufig zum Stillstand kam, denn da beschloss der Künstler, sich eine längere Auszeit zu nehmen. Reyle selbst bezeichnet die Atelierstruktur mit ihrem »experimentellen Charakter« als unverzichtbar für seine Arbeit, hatte aber, auch im Zuge der weltweiten Finanzkrise 2007, zunehmend Schwierigkeiten, die nötigen Mittel dafür aufzubringen. Immerhin konnte eine einzige Skulptur aus der Werkstatt von Anselm Reyle schon einmal mehr als eine Million Euro betragen – auf Dauer eine Summe, die sich nur mithilfe von großzügigen Sammlern aufbringen ließ, und deren Aufträge schienen dem Künstler mehr und mehr eindimensional und einengend, sodass er sich schließlich zu dem drastischen Schritt entschloss, den Kunstbetrieb ganz einzustellen, um dem Verlust seiner Freiheit zu begegnen. Wann und ob er wieder zurückkehren wird, lässt Anselm Reyle offen – ein Hoffnungszeichen bot das Jahr 2017: Da bespielte er zum ersten Mal die König Galerie in Berlin.
Anselm Reyle - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: