Tiziano Vecellio, im deutschen Sprachraum meist Tizian genannt, gilt als der erfolgreichste Maler in der langen und an bedeutenden Künstlern reiche Geschichte von Venedig und als einer der größten Meister der italienischen Hochrenaissance.
(...) WeiterlesenTiziano Vecellio: Schüler der Brüder Bellini, Rivale Giorgiones
Tiziano Vecellio wurde wahrscheinlich zwischen 1488 und 1490 in Pieve di Cadore nahe Belluno in der damaligen Grafschaft Cadore geboren. Schon im Kindesalter kam Tizian nach Venedig, wo sein früh zutage tretendes Talent ihm die Tür zur Werkstatt der zu dieser Zeit bedeutendsten Maler der Stadt öffnete: den Brüdern Gentile Bellini (1429–1507) und Giovanni Bellini (1437–1516). Dort lernte er neben Künstlern wie Sebastiano del Piombo (1485–1547) und Lorenzo Lotto (1480–1557) auch Giorgione (1478–1510) kennen, der gleichzeitig ein wichtiger Bezugspunkt und erster großer Rivale wurde. Für beide Künstler bedeutete die Arbeit an den Außenfresken des unter der Leitung von Antonio Abbondi († 1549) wiedererrichteten Fondaco dei Tedeschi (»Kaufhaus der Deutschen«) den Durchbruch. Von dieser ersten datierten Arbeit Tizians sind allerdings nur noch Fragmente erhalten. Trotz ihrer wachsenden Rivalität arbeiteten Tiziano Vecellio und Giorgione häufig zusammen.
Tizian wurde zum wichtigsten Maler der venezianischen Schule
Tiziano Vecellio durchlief in seinem künstlerischen Schaffen vier Phasen, wobei er sich in seiner Frühzeit (etwa 1500–1518) zuerst eng an die Brüder Bellini und dann an seinen älteren Rivalen Giorgione hielt. Die Ähnlichkeiten zwischen Tiziano Vecellio und Giorgione sind so groß, dass sich die Kunstgeschichte mit der Zuschreibung vieler Werke schwertat und immer wieder Korrekturen vornehmen musste. Auch nach dem Tod Giorgiones hielt Tizian an dem gemeinsamen Stil fest, aber nachdem auch sein Lehrer Giovanni Bellini gestorben war, gab es innerhalb der venezianischen Schule keinen ernst zu nehmenden Konkurrenten mehr und Tiziano Vecellio konnte eigene Wege beschreiten. Er schlug das Angebot des Kardinals Pietro Bembo (1470–1547), für den Heiligen Stuhl zu arbeiten, aus, eröffnete 1513 eine Werkstatt am Canal Grande und erhielt 1517 eine Sinekure (Amt mit Einkünften ohne Verpflichtungen) der Stadt Venedig, die ihn aller wirtschaftlichen Sorgen enthob. Ein weiterer Vertrag befreite ihn von Steuerzahlungen und gewährte ihm ein Salär, für das er bis zu seinem Lebensende alle Dogen Venedigs für einen Pauschalpreis porträtieren musste.
In der Hochzeit entstanden Bildnisse voller Pracht und Tiefsinn
Tiziano Vecellio entwickelte in seiner zweiten Phase einen monumentalen Stil, übernahm Aufträge für Alfonso d'Este (1476–1534) und traf an dessen Hof in Ferrara auf den Dichter Ludovico Ariosto (1474–1533), den er mehrmals porträtierte. Auch in Venedig zählte ein Schriftsteller zu seinen engsten Freunden: Pietro Aretino (1492–1556). Neben seinen Monumentalgemälden entstanden auch kleinformatige Frauenporträts, darunter das heute im Louvre befindliche Werk Junge Frau bei der Toilette. Das bedeutendste Bild der zweiten Periode ist jedoch die Himmelfahrt Mariä (Assunta) für die Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari. Als Tizians Hochzeit gilt seine dritte Phase, in der es ihm gelang, die großen Persönlichkeiten seiner Zeit in voller Pracht und Glorie darzustellen und sie dabei tiefsinnig zu charakterisieren. Zu den berühmtesten dieser Bildnisse zählen König Karl V., Papst Paul III. sowie die Herzöge Ottavio Farnese und Alessandro Farnese. In der vierten und letzten Phase der langen künstlerischen Laufbahn Tizians dominierte wieder die großartige und dramatische Komposition voller Licht und Schatten.
Eine lange Künstlerlaufbahn brachte Ruhm und Reichtum
Tiziano Vecellio besaß ein weniger idealisiertes Kunstverständnis als die beiden anderen großen Renaissance-Meister Michelangelo (1475–1564) und Raffael (1483–1520). Vor seinem Rombesuch im Jahr 1546 hatte er wohl kaum Gelegenheit gehabt, antike Kulturgüter zu studieren, seinem immensen Erfolg tat dies keinen Abbruch; an Reichtum und Ruhm waren ihm in dieser Epoche nur Michelangelo und Raffael und später Peter Paul Rubens (1577–1640) ebenbürtig. Tizian war auch äußerst geschäftstüchtig und gehörte zu den ersten Künstlern, die ihre Werke mit einer Signatur versahen, um deren Wert zu erhöhen. Auch der Zeitumfang seines Schaffens ist beachtlich. Sein Neffe und Lieblingsschüler Marco Vecellio (1545–1611) trat in Tizians Fußstapfen und erreichte eine bemerkenswerte stilistische Ähnlichkeit.
Tiziano Vecellio starb am 27. August 1576 in Venedig an der Pest; er war das einzige Opfer der Epidemie, das eine kirchliche Beisetzung erhielt.
Tiziano Vecellio - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: