Hermann Nitsch verteilte bei seinen Kunstauktionen Tierkadaver, Exkremente und ein Meer von Blut. Das Publikum jubelte, staunte oder schimpfte; der Künstler wurde weltberühmt und binnen weniger Jahre zu einem der bedeutendsten Vertreter des Wiener Aktionismus.
(...) WeiterlesenHermann Nitsch - Schüttbilder, Blutorgel und Orgien-Mysterien-Theater
Hermann Nitsch wurde am 29. August 1938 in Wien geboren. An der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien erwarb er sein Diplom und arbeitete ab 1957 für einige Zeit im Technischen Museum als Gebrauchsgrafiker. 1960 begann er erstmals mit der Produktion von Schüttbildern, bis heute zählt Hermann Nitsch zu den bekanntesten Künstlern, die sich dieser Technik bedienen. Zwei Jahre später gehörte er zu den Protagonisten des Wiener Aktionismus, mit seinen Kollegen Adolf Frohner und Otto Mühl ließ er sich für die umstrittene Kunstaktion »Die Blutorgel« ein- und wieder ausmauern, präsentierte dazu ein selbst verfasstes Manifest sowie ein Blutorgelbild aus Blut und Kreide, kreuzigte ein totes Lamm und verteilte dessen Innereien. Unter dem Titel Orgien-Mysterien-Theater gingen derartige Veranstaltungen schließlich in Serie und sorgten dafür, dass Hermann Nitsch zu dieser Zeit eine der umstrittensten Künstlerpersönlichkeiten Österreichs war. Weil ihn seine bewusst provokanten Aktionen, die er zudem bevorzugt in der nicht immer interessierten, sondern oft schockierten Öffentlichkeit durchführte, in steten Konflikt mit den Behörden und mehrfach ins Gefängnis brachten, siedelte er 1968 kurzerhand ins benachbarte Deutschland über.
Leid als Essenz des Lebens, Leben als Essenz der Kunst
Es war eine Überraschung, dass Hermann Nitsch ausgerechnet in den als außerordentlich prüde geltenden Vereinigten Staaten von Amerika große Erfolge mit seinem Orgien-Mysterien-Theater feiern konnte. Weit weniger überraschend kam sein Erfolg in Deutschland, wo er in Kassel an der documenta 5 teilnehmen durfte und Einfluss auf anerkannte Performance-Künstler wie Marina Abramović und Christoph Schlingensief ausübte. Schließlich war Hermann Nitsch so etabliert, dass er eine Rückkehr nach Österreich wagte und dort das Schloss Prinzendorf erwarb, das er mit dem ihm eigenen Sendungsbewusstsein in einen blut- und kotgetränkten Gegenentwurf zu Richard Wagners Bayreuth verwandelte. Weil Hermann Nitsch das Leben als Passion verstand, die echte Kunst seiner Meinung nach aber das Leben abzubilden und zu verdichten hatte, inszenierte er mit Schreichören, Lärmorchestern und elektrisch ins Unerträgliche verstärkten Klängen seine eigenen Passionsspiele als Gesamtkunstwerk. Gerade diese religionsartig überhöhte Lesart seiner Kunst sorgte aber auch dafür, dass sich Teile seiner alten Weggefährten kritisch von ihm abwandten.
Die Welt als immerwährende Wiederkehr
Unter Bezug auf Friedrich Nietzsche versteht Hermann Nietsch die Welt und das Leben als ein sich in allen und allem wiederholender Kreislauf. Er selbst sei alles schon gewesen, sagt der Künstler. Als einen prägenden und schmerzhaften Einschnitt habe er den Tod seiner ersten Frau empfunden. Trost fand er, der im Wiener Weinviertel groß geworden war, im Alkohol. Den Alkoholgenuss empfindet Hermann Nitsch als Therapie, als Hilfe in der Not, als Wegweiser zu seinem eigentlichen Sein. Als Mittel zur Inspiration lehnt der Künstler ihn jedoch ab, seine Kunst versteht Hermann Nitsch als etwas Eigenständiges, das er als Exzess feiern und erleben will. Nicht für sich allein, sondern auch für sein Publikum. Darum hat er es sich zur Eigenart gemacht, seine getragenen Malerkittel inmitten seiner Werke zurückzulassen, als Verkörperung seiner selbst, des Künstlers, der die Betrachter auffordert, seiner Einladung zu folgen. 2009 wurde die Nitsch Foundation ins Leben gerufen, die das Werk des Österreichers dokumentieren und vermitteln soll.
Hermann Nitsch - Ausstellungen
- KUNST. LEBEN. LEIDENSCHAFT | 10 Jahre Museum Angerlehner
Museum Angerlehner, 4600 Thalheim bei Wels, AT
16. Oktober 2022 — 15. Oktober 2023
- Hermann Nitsch - Bayreuth Walküre e relitti 158. aktion
Museo Hermann Nitsch, Napoli, IT
22. Oktober 2022 — 30. September 2024
- Hermann Nitsch - Aktionsfotografie 1963 - 1984
Westlicht. Schauplatz für Fotografie, Wien, AT
2. März — 14. Mai 2023
- Hermann Nitsch - Selected Paintings, Actions, Relics, and Musical Scores, 1965–2020
Pace, New York, US
17. März — 29. April 2023
- Hermann Nitsch - das 6-tage-spiel
nitsch museum, Mistelbach, AT
25. März — 26. November 2023
- Hermann Nitsch - Farbenwelt
Museum St. Peter an der Sperr, Wiener Neustadt, AT
2. September — 31. Oktober 2023
Hermann Nitsch - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: