Gisèle Freund floh vor den Nationalsozialisten nach Frankreich und Südamerika, vollbrachte dort eine Weltkarriere als Fotografin und hinterließ ein Werk, das bis heute in internationalen Ausstellungen gefeiert wird.
(...) WeiterlesenGisèle Freund - Die erste Kamera war ein Geschenk des Vaters
Gisèle Freund wurde am 19. Dezember 1908 als Gisela Freund in Schöneberg (heute zu Berlin gehörig) geboren. Die Tochter des jüdischen Unternehmers und Kunstsammlers Julius Freund wuchs in begüterten Verhältnissen auf und bekam von ihrem Vater schon früh ein umfassendes Verständnis für die bildenden Künste vermittelt. In ihrem Elternhaus verkehrten bedeutende Denker und Literaten, darunter Walter Benjamin, Albert Einstein und Kurt Tucholsky. Das persönliche Interesse von Gisèle Freund galt aber von Anfang an vor allem der Fotografie, und es wurde noch gesteigert, als sie im Alter von fünfzehn Jahren von ihrem Vater ihre erste Kamera, eine Leica, als Geschenk erhielt. Der Vater selbst sammelte das Werk des deutschen Pflanzenfotografen Karl Blossfeldt. Die Fotografie blieb für Freund zunächst eine bloße Liebhaberei: Beruflich entschied sich die politisch dem Kommunismus nahestehende junge Frau für ein Soziologiestudium bei Karl Mannheim in Frankfurt; außerdem belegte sie die Seminare von Max Horkheimer am Institut für Sozialforschung. Das für ein Studium notwendige Abitur hatte sie gegen den Willen ihrer Eltern erworben.
Flucht nach Paris, Schriftstellerporträts bei Lampenlicht
Gisèle Freund wurde durch ihren Mentor Norbert Elias ermutigt, sich tiefer mit der Fotografie-Theorie auseinanderzusetzen. Anfang der 1930er Jahre geriet sie durch ihr politisches Engagement in Konflikt mit den nationalsozialistischen Machthabern und konnte sich ihrer drohenden Verhaftung nur durch eine Flucht nach Paris entziehen, wo sie zuvor schon ein Gastsemester an der Sorbonne besucht hatte. Gefährdet war sie auch durch ihre jüdische Herkunft, obwohl sie später betonte, dass in ihre Familie die Religion nie eine Rolle gespielt hatte. In Paris vollendete sie ihre Dissertation, die ihre enge Freundin Adrienne Monnier ins Französische übersetzte und an der Sorbonne publizierte. Eine der frühen fotojournalistischen Arbeiten von Gisèle Freund war das vielgelobte Porträt des französischen Sozialrevolutionärs André Malraux. Monnier vermittelte Freund die Bekanntschaft zahlreicher Autoren, die sie zum Gegenstand einer großangelegten Porträtserie bei Lampenlicht machte. So entstanden in Paris und London Bilder von über achtzig Schriftstellern, darunter Louis Aragon, André Breton, Colette, T. S. Eliot, James Joyce, Bernard Shaw, Virginia Woolf und Stefan Zweig.
Erfolgreiche Jahre in Südamerika, Hoffotografin Mitterands
Gisèle Freund musste als Folge der deutschen Besatzung Frankreichs nach Südamerika fliehen, wo sie ihre Karriere als Fotografin weiter vorantrieb. In diesem erzwungenen Exil erlebte sie eine glückliche Zeit, befreundete sich mit Frida Kahlo und Diego Rivera, arbeitete für die Fotoagentur Magnum und schuf mit der Bilderserie über Evita Perón eine ihrer eindrucksvollsten Arbeiten. Nach dem Zerwürfnis mit der Agentur Magnum griff sie ihre Schriftsteller-Porträts wieder auf, fotografierte Samuel Beckett, Marguerite Duras, Eugène Ionesco, Nathalie Sarraute und andere, jetzt meist in zurückhaltendem Schwarz-Weiß. Mitte der 1960er Jahre beendete Gisèle Freund ihre Karriere als Fotografin; ihren Unterhalt bezog sie von Lizenzgebühren, die Zeitungs- und Fernsehredaktionen für die Verwendung ihrer umfangreichen Porträtbibliothek bezahlten. 1981 unterbrach Gisèle Freund ihren selbstgewählten Ruhestand, um das offizielle Porträt des neugewählten französischen Präsidenten François Mitterand zu fotografieren.
Gisèle Freund starb am 31. März 2000 in ihrer Wahlheimat Paris.
Gisèle Freund - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: