Für seine Kritiker war Hans Bellmer ein verklemmter Puppen-Pornograf mit ausgeprägtem Hang zu neurotischen Störungen, seine Bewunderer sahen in ihm einen mit abgründiger Fantasie begabten Schöpfer surrealer Skulpturen. Erst in den 1960er-Jahren konnte der lange verfemte Künstler seine Arbeit einem größeren Publikum präsentieren.
(...) WeiterlesenHans Bellmer - Eine überschattete Kindheit und ein ungeliebter Beruf
Hans Bellmer wurde am 13. März 1902 in Kattowitz geboren. Die alles überschattende und prägende Erfahrung seiner Kindheit war der tyrannische und überstrenge Vater, der auch die liebevolle Mutter mit harter Hand unterdrückte. Mit seinem jüngeren Bruder Fritz teilte er die Furcht und den Hass und suchte in einem geheimen Garten Zuflucht, der mit allerlei Spielzeug und verschiedenen Andenken bestückt war. Hier fanden die gepeinigten Kinder eine tröstliche Fantasiewelt, die den Künstler Hans Bellmer nachhaltig beeinflussen sollte. An eine künstlerische Laufbahn war aber zunächst nicht zu denken; auf Druck des Vaters musste Bellmer stattdessen nach bestandenem Abitur im Kohlebergbau und in einem Stahlwerk arbeiten. Im Jahr 1923 schickte man ihn nach Berlin an die Technische Hochschule, doch der junge Mann interessierte sich mehr für Politik, beschäftigte sich mit Karl Marx und beteiligte sich an Diskussionen mit den Künstlern des jungen Dadaismus. Im Rahmen dieser Gespräche lernte Hans Bellmer George Grosz, John Heartfield und Rudolf Schlichter kennen.
Schritte in ein neues Leben als Künstler, Protest gegen Hitler
Es war sein Freund George Grosz, der Hans Bellmer schließlich dazu ermutigte, das ungeliebte und nur nachlässig betriebene Ingenieursstudium abzubrechen und stattdessen eine Ausbildung zum Typografen im Malik-Verlag zu beginnen. Mit Freude und Eifer entwarf Bellmer Buchillustrationen und gestaltete Umschläge, unter anderem für Salomo Friedlaenders Das Eisenbahnunglück oder der Anti-Freund, das der deutsche Philosoph und Schriftsteller 1925 unter dem Pseudonym Mynona veröffentlicht hatte. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Paris, wo er fruchtbaren Kontakt zu Dadaisten und Surrealisten pflegte, eröffnete Bellmer ein eigenes Atelier für Werbezeichnungen in Berlin-Karlshorst. 1928 kam es zur Eheschließung mit Margarete Schnell. 1933 schloss Hans Bellmer sein Atelier, weil er aus Protest gegen die Machtergreifung Hitlers seine Kunst nicht länger zum Zwecke des Gewinnererwerbs ausüben wollte. Nicht für Geld, sondern nur noch für die Kunst wollte er in dieser finsteren Zeit, die ihn an seine von Zwängen überschattete Kindheit erinnerte, tätig sein. Eine Kunst, die weit weg sein sollte von den Vorstellungen der nationalsozialistischen Machthaber.
Skandalumwittertes erotisches Puppentheater
Seit Anfang der 1930er-Jahre hatte sich Hans Bellmer seinen erotischen Puppen gewidmet, die bis zu seinem Tod das beherrschende Sujet seiner Kunst bilden sollten. Angeregt von Olympia, der betörenden mechanischen Sirene des skrupellos-genialen Erfinders Spalanzani aus Offenbachs Oper Hoffmanns Erzählungen, begann Bellmer mit der Erschaffung eines grotesken Puppenkabinetts, bei dem die Körper sich in einem makabren Tanz aus Erotik und Qual miteinander verbanden. 1938 emigrierte Bellmer nach dem Tod seiner Frau nach Paris, wurde dort im Lager Les Milles interniert und befreundete sich mit Max Ernst, mit dem er das Gemeinschaftswerk Schöpfungen, die Geschöpfe der Einbildungskraft schuf. 1953 begegnete er der Schriftstellerin Unica Zürn, die an Depressionen und Schizophrenie litt und der verschatteten, abgründigen Künstlerseele von Hans Bellmer den ersehnten verwandten Geist bot. Beide Künstler entwickelten eine enge Bindung, zogen sich immer mehr in sich selbst zurück, verboten sich jeden Freundeskreis und mieden den Kontakt zur Außenwelt. 1970 wählte Zürn den Freitod und stürzte sich aus der gemeinsamen Pariser Wohnung in die Tiefe. Bellmer blieb zurück – allein mit seinen Puppen.
Hans Bellmer starb einsam und weltverlassen am 24. Februar 1975 in Paris.
Hans Bellmer - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: