Stephen Shore

Stephen Shore – Ein mutiger und zielstrebiger Autodidakt

Stephen Shore wurde am 8. Oktober 1947 in New York City geboren. Das einzige Kind jüdischer Geschäftsleute interessierte sich früh für die Fotografie. Ein wohlwollender Onkel schenkte ihm zu seinem sechsten Geburtstag ein Junior-Dunkelkammer-Set von Kodak, mit dem der begeisterte Stephen seine autodidaktische Ausbildung zum Fotografen vorantreiben konnte. Im Alter von neun Jahren bekam er eine 35-Millimeter-Kamera, mit der er seine ersten Farbfotografien aufnahm. Als Zehnjähriger verschlang er das wegweisende Fotobuch American Photographs von Walker Evans, das ihn nachhaltig beeinflusste. An Selbstbewusstsein mangelte es dem jungen Fotografen nicht: Mit gerade einmal vierzehn Jahren wurde er bei Edward Steichen vorstellig, damals Kurator für Fotografie am Museum of Modern Art in New York, und präsentierte ihm seine Bilder. Steichen zeigte sich von so viel Chuzpe und Talent beeindruckt und erwarb drei Schwarzweiß-Fotografien von New York. Zwei Jahre später lernte Stephen Shore Andy Warhol kennen und ergriff die einmalige Chance, in dessen Factory die Pop-Art-Ikone und ihre Künstler-Freunde ins Bild zu setzen.

Die künstlerische Farbfotografie als Wagnis

Stephen Shore konnte mit seinen Bildern der Avantgardekünstler um Andy Warhol, zu denen auch Lou Reed von der Band Velvet Underground gehörte, bereits 1971 eine Einzelausstellung im New Yorker Museum of Modern Art bespielen – als erster lebender Fotograf überhaupt. In der Folge unternahm Shore mehrere Roadtrips quer durch die USA und Kanada und fotografierte die Landschaften, die ihm auf dem Weg begegneten. Bei dieser Gelegenheit erwachte sein Interesse an der Farbfotografie, da ihn die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der verschiedenen Lokalitäten, die er besuchte, nicht mehr zufriedenstellten. Mit Bildern wie der ikonischen Aufnahme einer Chevron-Tankstelle wurde Stephen Shore neben Ernst Haas und William Eggleston zu einem Pionier der künstlerischen Farbfilmfotografie in Amerika – zu einer Zeit, als in Europa in der Kunst nur Schwarz-Weiß-Aufnahmen akzeptiert wurden. Die Entscheidung für eine Großformatkamera fiel wahrscheinlich auf Anregung von John Szarkowski. 1974 erhielt Stephen Shore ein Guggenheim Stipendium, das ihm weitere Projekte ermöglichte.

Fotografisches Tagebuch des Alltäglichen

Stephen Shore erreichte mit seinen Bildern auch in Europa große Bekanntheit. In Deutschland, wo er mit der Fotografie-Ikone Bernd Becher persönlich bekannt war, wurde er mehrfach ausgestellt; 1977 nahm er an der Documenta 6 in Kassel teil. Mit seinem 1982 erschienenen Buch Uncommon Places beeinflusste Stephen Shore zahlreiche Farbfotografen seiner eigenen und nachfolgenden Generation. Fotokünstler, die sich auf Shore beriefen, waren unter anderem Andreas Gursky, Joel Sternfeld, Nan Goldin, Martin Parr und Thomas Struth. Aufsehen erregte sein 1999 publiziertes fotografisches Tagebuch American Surfaces, für das er banalste Alltäglichkeiten meist bei direktem Licht auf Farbfilm festhielt: Hotelzimmer, Mahlzeiten, Toiletten, Gesichter. Damit gelang Shore nicht nur die originelle fotografische Chronik einer Ära, sondern auch das Einfangen eines ganzen Lebensgefühls. Für seine Fotokunst erhielt Stephen Shore Preise und Auszeichnungen, darunter 2010 den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie in Düsseldorf.