Das größte Bild des Surrealismus

Die knapp 200 Lot-starke Offerte überzeugt mit zahlreichen Spitzenwerken aus Privatsammlungen.

Zahlreiche Spitzenwerke aus Privatbesitz werden in der Auktion Moderne Kunst am 2. Dezember 2016 offeriert. Teuerstes Los ist ein Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner, Mädchen in Südwester von 1912, ein Fehmarn-Motiv, für € 1.300.000/1.500.000; ein zweites Kirchner-Gemälde, die 1917 entstandene Davoser Winterlandschaft liegt bei € 500/600.000. Es befand sich als Leihgabe im Von der Heydt Museum Wuppertal. Exzeptionell ist ferner ein markfrisches phantastisch erhaltenes Porträt von Emil Nolde von 1918 (€ 500/600.000). Zwei farbfrische Nolde-Aquarelle liegen bei jeweils € 80/100.000. Es folgen weitere bedeutende Werke von George Grosz (250/350.000), Erich Heckel (€ 60/80.000), Marianne Werefkin (€ 90/100.000) und zwei Gemälde von Serge Poliakoff (€ 60/80 000 bzw. € 80/100.000). Der große deutsche Impressionist Max Liebermann ist mit drei Gemälden vertreten (von € 150.000 bis 300.000) und Auguste Rodin mit einer Bronze, Le Minotaure, version à base carée (Faune et Nymphe)", für € 100/120.000.

Zusätzlich wird eine ganz besondere Rarität angeboten, eine der größten erhaltenen Bildschöpfungen Salvador Dalis wie auch des Surrealismus: Der 8,76 x 14,76 Meter messende Bühnenvorhang zu dem 1944 in New York uraufgeführten Ballett Mad Tristan (Tristan Fou) nach Richard Wagner. Dargestellt sind das Liebespaar Tristan und Isolde in surrealistischer Umsetzung, motivisch und vom Gehalt her ein Schlüsselbild des Künstlers. Lempertz versteigert das in Brüssel bis zum 3. Dezember ausgestellte Werk im Rahmen einer Silent Auction – bis dahin können jederzeit Gebote abgegeben werden. Die in Tempera, Pastell und Öl ausgeführte Leinwandarbeit wird in einem Sonderkatalog präsentiert.

Spitzenlos der Auktion ist ein museales Gemälde Ernst Ludwig Kirchners aus dem Jahr 1912, Mädchen in Südwester (Gordon 246; Lot 210, 1.300.000/1.500.000). In dem sehr produktiven Jahr fährt der Künstler zum wiederholten Mal nach Fehmarn; die dort entstandenen Bilder zählen zu seinen besten und bedeutendsten. Bei dem vorliegenden Mädchen in Südwester handelt es sich um ein Bildnis von Erna Schilling, die zu Kirchners Modell, zu seiner Muse und Lebensgefährtin werden sollte. Das mehrfach ausgestellte Gemälde, zuletzt 2011/2012 in Davos im Kirchner-Museum, besitzt einen vom Künstler gestalteten Rahmen. Das Werk stammt aus seinem Nachlass und wurde nochmals von ihm überarbeitet. In einem ersten Bildzustand ist es auf einem Foto Kirchners aus dem Jahr 1912 dokumentiert. Fünf Jahre später sind Kirchners Häuser im Schnee (Gordon 474, Lot 213, € 500/600.000) entstanden, in einer anderen Zeit und an einem anderem Ort: Im Januar/Februar des Kriegsjahres 1917 malt er wohl eines seiner ersten Gemälde in der Schweiz. Es ist eine frühe wie seltene Davoser Winterlandschaft, die Karl Ernst Osthaus vom Künstler direkt 1918 nach Gut Schede in eine bedeutende westdeutsche Privatsammlung vermittelte, wo das Gemälde in einem 1904 gestalteten Jugendstil-Interieur von Henry van de Velde hing, seitdem war es seit Generationen ununterbrochen in Familienbesitz.

Der Jäger von Emil Nolde (Urban 821, Lot 215, € 500/600.000) gehört zu seinen ausdrucksstärksten Männerporträts. Das expressive Bildnis zeichnet sich nicht nur durch seine typische kraftvolle Malweise aus, sondern auch durch die Komposition: Das Porträt wird um Hintergrundmotive erweitert, die nicht als rein ästhetische oder farbliche Arabesken zu verstehen sind. So verleihen der Buddha und die Blumen dem Dargestellten vielmehr symbolhaft eine erweiterte, ideelle Dimension. Das Gemälde wurde vom Künstler Ludwig Schames anvertraut, einem der damals bedeutendsten Händler für Expressionismus. Es werden ferner von Nolde ein Blumenstillleben Roter Mohn (Mohnblumen, Iris und Sonnenhut) (Lot 218, € 80/100.000) und eine mit derselben Taxe versehene Marschlandschaft mit Strohdiemen (Lot 219, € 80/100.000) offeriert.

Das farbfrisch erhaltene große Aquarell Soirée von George Grosz kann mit Recht als bedeutendes Blatt bezeichnet werden, das noch im Jahr seiner Entstehung 1922 von Grosz in der kulturhistorisch und gesellschaftspolitisch wichtigen wie berühmten Mappe "Ecce Homo" farbig reproduziert und verbreitet wurde. Das Aquarell ist eines der typischen Werke von George Grosz, ein bissiger Berliner Kommentar zu den gesellschaftlichen Verhältnissen nach dem ersten Weltkrieg in der noch jungen Weimarer Republik. Mit Expertise von Ralph Jentsch versehen, beträgt die Taxe € 250/350.000 (Lot 225).

Von Max Liebermann werden drei Gemälde offeriert. Mit € 250/300.000 ist das Konzert in der Oper von 1919 am höchsten bewertet. Konzertszenen aus der Oper finden sich in Liebermanns Werk in einer Reihe von Variationen aus den Jahren 1919–1924. Bei der angebotenen Arbeit handelt sich um eine der frühesten Interpretationen dieses Sujets (Lot 216). Lot 204 präsentiert Liebermanns um 1909 entstandene Pferdeknechte am Strand. Bereits seit 1872 verbrachte Max Liebermann seine Sommer regelmäßig an der holländischen Nordseeküste. Zu seinen Reiterbildern gelangte Liebermann nicht zuletzt über Isaac Israels, mit dem er im Sommer des Jahres 1900 am Strand von Scheveningen erstmals Pferde in Bewegung malte (€ 220/250.000). Die 1905 entstandene Judengasse in Amsterdam ist in breitem und schnellem Pinselduktus ausgeführt. Im Lauf seiner alljährlichen Hollandaufenthalte malte Liebermann erstmals in diesem Sommer auf Anregung des Direktors der Amsterdamer Kunstakademie im jüdischen Viertel (Lot 203, € 150/170.000).

Marianne von Werefkin schuf 1908/1909 das Porträt Rosalia Leiß. Bei dem Bildnis handelt es sich nicht nur um ein beeindruckendes Porträt, sondern auch um eine typische und spannungsvolle Arbeit der russischen Gefährtin Alexej von Jawlenskys und Mitbegründerin der N.K.V.M., aus der später die Künstlergruppe Blauer Reiter hervorgehen sollte (Lot 208, € 90/100.000). Adolf Erbslöh, der ursprünglich zur Münchner Gruppe gehörte und insbesondere auch von Jawlensky beeinflusst war, ist mit der marktfrischen Arbeit Am Meer bei Positano von 1923 vertreten, ehemals aus der Sammlung Dr. Richart Reiche, Barmen (Lot 222, Taxe € 40/50.000). Bei € 90/120.000 liegt Les Amoureux IV (Roi David), eine Gouache von Marc Chagall aus dem Jahr 1955 (Lot 220). Serge Poliakoff ist mit zwei Gemälden präsent: die großformatige Composition abstraite von 1966 liegt bei € 80/100.000 (Lot 232) und Composition rouge orange gris bleu aus dem Jahr 1952 kommt auf € 60/80.000 (Lot 231). Erich HeckelsMeerlandschaft (Ostende), eine schöne wie ausdrucksvolle Tempera von 1917 (Lot 209, € 60/80.000), Willi BaumeistersLyrik mit Kammzug auf Blau-Grün von 1954 (Lot 229, € 70/80.000) und Wilhelm Morgners Allee aus dem Jahr 1910 (Lot 207, 55/65.000) vervollständigen das Angebot im Bereich der Malerei.

Papierarbeiten und Graphik des Expressionismus werden in ausgewählten Beispielen angeboten, u.a. eine doppelseitige frühe Zeichnung eines weiblichen Aktes von Franz Marc von um 1904/1906 (Lot 201, € 30/40.000), von Otto Dixdie dynamische wie schöne Kreidezeichnung Badende Soldaten von 1917 (Lot 212, € 25/30.000) und von E. L. Kirchner Zeichnungen wie Holzschnitte, u.a. der extrem rare Holzschnitt Drei Wege. Das 1917 entstandene Blatt gehört zu der Gruppe der bedeutenden Graphiken in dieser Technik, die damals in der Schweiz entstanden (Lot 214, € 25/30.000). Von Christian Rohlfs werden u.a. zwei ausdrucksvolle Blumenstücke in Wassertempera, Sonnenblume (Lot 223, Taxe € 30/35.000) und Canna Indica (Lot 359, Taxe € 25/30.000) angeboten. Darüber hinaus kommen von L.T. Foujitaein in Bleistift gearbeitetes Selbstporträt von 1924 (Lot 226, € 25/30.000) und u.a. einige bedeutende großformatige Lithograhien von Pablo Picasso zum Ausruf (z.B. Buste au corsage à Carreaux, Lot 228, € 25/30.000).

Berühmt wie ungewöhnlich ist die Bronze-Gruppe Le Minotaure, version à base carrée (Faune et Nymphe) (Lot 202, 100/120.000) von Auguste Rodin, eines der Spitzenlose bei den Skulpturen. Die 58 cm hohe erotische Plastik entstand nach einer großen Gipsfassung des Künstlers, die er nach dem Marmor von 1903 herstellen ließ (eine Erwerbung von Karl Ernst Osthaus für das Folkwang Museum Hagen, heute im Museum Folkwang Essen). Der vorliegende posthume Bronzeguss, Exemplar E.A. IV/IV aus einer Auflage von insgesamt 12 Exemplaren, wurde 2013 bei Susse, Paris gegossen. Eine 37,5 cm große Bronze von Aristide MaillolBaigneuse se coiffant (Femme les deux mains aux cheveux) aus der Edition Ambroise Vollard, Paris liegt bei € 35/45.000 (Lot 200). Auch ist Ernst Barlach wieder mit drei Arbeiten vertreten: Der Verschwender I von 1921 (Lot 205, € 30/35.000), Der Einsame von 1911 (Lot 206, € 35/40.000) und der Sänger (Singender Klosterschüler) von 1931 (Lot 221, € 35/40.000). Georg Kolbes Bronze Kauernde von 1917, ein Lebzeitenguss der Edition Ferdinand Möller, Berlin (Lot 211, € 35/40.000) und Renée Sintenis mit dem 18 cm großen Kleinen Mädchen, ein Bronze-Unikat von 1926 aus einer ehemals deutschen Privatsammlung runden das Angebot ab (217, € 22/25.000).