Paula Modersohn-Becker - Ingenieurstochter mit ausgeprägtem musischem Interesse
Paula Modersohn-Becker wurde am 8. Februar 1876 in Dresden-Friedrichstadt als drittes von insgesamt sieben Kindern des deutschen Eisenbahningenieurs Carl Woldemar Becker geboren. Über ihre Mutter Mathilde war sie mit dem thüringischen Adelsgeschlecht von Bültzingslöwen verwandt. Ihre kunstliebende Mutter weckte und förderte bei Paula entsprechende musische Neigungen; sie erhielt wie ihre Schwestern Klavierunterricht, teilte aber die Begeisterung ihrer Familie für Richard Wagner nicht – der Komponist erschien ihr zu undeutsch. Als zehnjähriges Mädchen war sie beim Spielen in einer Sandgrube in einen Unfall verwickelt, bei dem ihre gleichalte Cousine Cora Parizot ums Leben kam. Dieses Ereignis beeinflusste die Künstlerin so stark, dass sie es noch Jahre später in einem Brief an Rainer Maria Rilke thematisierte. Weil ihr Onkel Oskar Becker ein Attentat auf den preußischen König Wilhelm verübt hatte, sah sich ihr Vater Repressalien ausgesetzt und musste auf der Suche nach einer Anstellung in die Hansestadt Bremen übersiedeln.



Ungeliebte Ausbildung zur Lehrerin, privater Malunterricht
Paula Modersohn-Becker begegnete in Bremen zahlreichen Künstlerpersönlichkeiten, die zum Freundeskreis ihrer Mutter zählten. Um ihre eigene Künstlerkarriere stand es schlechter, denn nach dem Willen ihres Vaters sollte sie Lehrerin werden. Trotzdem erhielt sie verschiedentlich privaten Kunstunterricht, unter anderem dank der Förderung ihres Onkels in London, der sie auf die St. John's Wood Art School schickte. Während ihrer eigentlichen Ausbildung am Lehrerinnenseminar Janson erlaubte ihr der Vater privaten Malunterricht bei Bernhard Wiegandt, wo Paula Modersohn-Becker zum ersten Mal nach einem lebenden Modell arbeiten konnte. Als Anerkennung für ihren guten Examensabschluss durfte sie ihren Onkel Wulf von Bültzingslöwen nach Norwegen begleiten – auf dieser Reise studierte Paula Becker das Werk des norwegischen Symbolisten Edvard Munch. Als der Worpsweder Künstlerkreis im Frühjahr 1893 in der Kunsthalle Bremen seine Gemälde ausstellte, kam Paula Becker erstmals mit dem Werk ihres späteren Mannes Otto Modersohn in Berührung; sie lobte in ihrem Tagebuch ausdrücklich die Farbgestaltung und die Wiedergabe der Heidestimmung.
Studium an der Damenakademie, Reisen nach Paris und Worpswede
Paula Modersohn-Becker konnte zwar als Frau nicht die Kunstakademie besuchen, doch hatte sie mit ihrem offenkundigen Talent ihre Mutter und ihren Onkel dazu bewogen, ihr weiteren Privatunterricht zu finanzieren. Sie lernte in Berlin unter anderem bei Jacob Alberts, Curt Stoeving, Martin Körte und Ludwig Dettmann. Obwohl sie sich auch an Akten und Landschaftsgemälden versuchte, malte Paula Modersohn-Becker in dieser Zeit bevorzugt Porträts. Besonders beeindruckt zeigte sie sich von der Malerin Jeanna Bauck, deren Malklasse an der Damenakademie des Vereins der Berliner Künstlerinnen sie ab 1897 besuchte. Auf Anregung Baucks reiste sie mehrmals nach Paris, besuchte dort die Académie Colarossi, die Académie Julian und die École des Beaux-Arts. Immer wieder führte sie ihr Weg nach Worpswede. Dort erhielt sie Unterricht von Fritz Mackensen, fand viele Gleichgesinnte, nicht zuletzt ihren Ehemann Otto Modersohn. Die Künstlerkolonie im Teufelsmoor war für Paula Modersohn-Becker beides: Tor zur künstlerischen Freiheit – und ein Gefängnis, dem sie kaum zu entrinnen vermochte.
Förderung durch Otto Modersohn, Paris als Sehnsuchtsort
Paula Modersohn-Becker fand in Otto Modersohn einen verständnisvollen Mann, der ihr künstlerisches Talent frühzeitig erkannte und nach Kräften förderte. Er bot ihr zugleich die nötige finanzielle Sicherheit, die es ihr ermöglichte, auf die zeitraubende Ausübung eines Broterwerbs zu verzichten. Obwohl Paula Modersohn-Becker in den ersten Jahren ihrer Ehe versuchte, eine gute Frau für Otto und eine fürsorgliche Mutter für die Stieftochter Elsbeth zu sein, fühlte sie sich in ihrer Ehe einsam. Immer wieder zog es sie nach Paris, das für die Künstlerin zum Sehnsuchtsort schlechthin wurde. Während ihr Mann Otto Modersohn an den malerischen Traditionen des 19. Jahrhunderts festhielt und diese mit großer Könnerschaft fortführte, orientierte sich Paula Modersohn-Becker zunehmend an den französischen Meistern der Moderne, an den Pariser Malern wie Paul Cézanne und Paul Gauguin. Mit der finanziellen Unterstützung ihres Mannes lebte die Künstlerin für mehrere Monate in Paris, wo sie engen Kontakt mit Rainer Maria Rilke und seiner Frau Clara Westhoff pflegte.
Suche nach künstlerischer Freiheit und Unabhängigkeit
Paula Modersohn-Becker wollte sich von ihrem Mann scheiden lassen und endgültig in Paris niederlassen, kam aber davon ab, als ihr Freund und Förderer Bernhard Hoetger ihr vor Augen führte, dass sie ohne die finanzielle Unterstützung Otto Modersohns ihren Lebensunterhalt nicht würde bestreiten können. So versöhnte sie sich schließlich mit Otto und kehrte nach Worpswede zurück. Dort erfüllte sich ein langgehegter Herzenswunsch der Künstlerin: Sie wurde schwanger. Kinder spielten im Werk von Paula Modersohn-Becker eine große Rolle, ihre Stieftochter Elsbeth diente ihr mehrmals als Modell und bekleidete wie unbekleidete Kinder stellten ein häufiges Sujet dar. Außerdem malte sie sich selbst als Schwangere, noch ehe sie schwanger war – damit ist Paula Modersohn-Becker die erste Künstlerin, von der ein Ganzkörper-Selbstakt überliefert ist. Es gehört jedoch zur Tragik ihres Lebens, dass ausgerechnet die endliche Erfüllung ihres Kinderwunsches auch ihr Verhängnis bedeutete: Bei der Geburt ihrer Tochter Mathilde kam es zu Komplikationen, die nach mehrwöchiger Bettruhe schließlich zu einer Embolie führten.
Paula Modersohn-Becker starb am 20. November 1907 in Worpswede. Sie wurde nur 31 Jahre alt. Obwohl sie zu Lebzeiten nur drei ihrer Werke verkaufte, zählt sie heute zu den teuersten und gefragtesten Künstlerinnen der Welt.
Paula Modersohn-Becker - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: