Gerhard Richter - Studium in Dresden bei Heinz Lohmar
Gerhard Richter wurde am 9. Februar 1932 in Dresden geboren. Der Sohn eines Gymnasiallehrers und einer Buchhändlerin wuchs in einem kulturell interessierten Elternhaus auf; insbesondere seine Mutter interessierte sich sehr für Literatur und galt als begabte Klavierspielerin. Der Vater geriet während des Zweiten Weltkriegs in Gefangenschaft und entfremdete sich dadurch zeitweise von seiner Familie. Gerhard Richter selbst erlebte den Krieg in relativer Sicherheit auf dem Land und entging aufgrund seines Alters einer Teilnahme an Kampfhandlungen. Trotzdem übten die Verheerungen des Krieges und die Besetzung Deutschlands durch die alliierten Truppen eine nachhaltige Wirkung auf Gerhard Richters künstlerische Entwicklung aus. Sein Kunststudium begann er 1951 an der Dresdner Kunstakademie inmitten einer zertrümmerten Stadt. Die Bekanntschaft mit der Studentin Marianne Eufinger, genannt Ema, führte zu der ersten Ehe des Künstlers. Emas Vater, der SS-Arzt Heinrich Eufinger, war an der Ermordung von Gerhard Richters psychisch kranker Tante Marianne Schönfelder beteiligt, was der Maler, der beide häufig porträtierte, erst viele Jahre später erfuhr. Das fünf Jahre währende Studium wurde von Gerhard Richter einerseits als Privileg und beeindruckende Erfahrung erlebt, andererseits stellte er fest, dass die Unterrichtsmethoden sehr konservativ und zunehmend dem politisch verordneten Sozialistischen Realismus verpflichtet waren. Richter selbst wählte bewusst die Klasse des Malers und Grafikers Heinz Lohmar, der als kosmopolitisch orientiert und weniger dogmatisch galt.



Gerhard Richter - Erste nationale Erfolge mit Wandgemälden
Gerhard Richter erhielt von einer Tante aus Westdeutschland allmonatlich das Fotomagazin Magnum, das er begeistert las. Die Gunst eines Professors ermöglichte ihm mehrere Studienreisen, unter anderem nach Westdeutschland, die ihm wertvolle Impulse brachten. Tiefen Eindruck machte die fotografische Dokumentation der Gräuel in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern auf den jungen Künstler. Gerhard Richter engagierte sich früh politisch und war gemeinsam mit seinen Kommilitonen an Protestbewegungen gegen die DDR-Regierung beteiligt. Als Diplomarbeit schuf Richter ein großformatiges Wandgemälde für das Deutsche Hygienemuseum. Das Bild unterscheidet sich deutlich von Gerhard Richters späterem Stil und traf den Geschmack seiner Auftraggeber. Der Versuchung, sich als gut bezahlter Staatsmaler zu verdingen, widerstand der Künstler jedoch und nahm stattdessen nach Abschluss seines Studiums eine bewusste Neuorientierung vor. Trotzdem durchlief er zunächst ein Förderprogramm seiner Akademie, das ihm für drei Jahre ein Atelier und verschiedene Aufträge für weitere Wandbilder einbrachte. Dazu gehörten Märchenmotive für einen Kindergarten ebenso wie symbolträchtige Propagandakunst für offizielle SED-Gebäude.



Gerhard Richter - Flucht in den Westen, Professur in Düsseldorf
Gerhard Richter kam mit den in der DDR herrschenden Zwängen, denen gerade auch die Kunst unterworfen war, immer weniger zurecht. Wenige Monate vor dem Bau der Berliner Mauer gelang ihm mit seiner Frau Ema die Republikflucht in den Westen. In einem Abschiedsbrief versuchte er, seinem geschätzten Lehrer Lomahr die Motive für diesen Schritt zu erläutern. An der Kunstakademie Düsseldorf setzte Richter sein Studium fort, an der Seite von später hochberühmten Kommilitonen wie Gotthard Graubner, Kuno Gonschior, Konrad Lueg, Blinky Palermo, Sigmar Polke und Franz Erhard Walther. Seine Lehrer waren Karl Otto Götz und Ferdinand Macketanz. Der aufkommende Fluxus beeindruckte Richter sehr; als dessen wichtiger Repräsentant Joseph Beuys auf Betreiben von Johannes Rau seine Lehrerlaubnis verlor, gehörte Gerhard Richter, zu dieser Zeit bereits selbst als Professor an der Akademie lehrte, mit anderen großen Namen wie Heinrich Böll, Peter Handke, Henry Moore, Günther Uecker und Martin Walser zu den Unterstützern des Geschmähten. 1982 ließ sich Richter von Ema scheiden und heiratete seine Meisterschülerin Isa Genzken. Die zweite Ehe hielt elf Jahre; 1995 heiratete Gerhard Richter seine letzte Schülerin Sabine Moritz.
Gerhard Richter - Internationaler Aufstieg und umstrittene Themen
Gerhard Richter beschäftigte sich in seinem Werk intensiv mit der Beziehung von Malerei und Fotografie. Fotorealistische Gemälde mit leichter malerischer Verwischung sind in seinem Œuvre ebenso zu finden wie abstrakte Kompositionen. Immer wieder arbeitete er mit anderen Künstlern zusammen. Mit seinen Studienfreunden Manfred Kuttner, Konrad Lueg und Sigmar Polke schuf er den Kapitalistischen Realismus, der sich ironisierend gegen den in der DDR zur Staatsdoktrin gehörenden Sozialistischen Realismus wandte. Neben einem rasanten und ungebrochenen internationalen Aufstieg gab es auch immer wieder Kontoversen: Für großes Aufsehen sorgte sein RAF-Zyklus 18. Oktober 1977, der in fünfzehn Bildern den Suizid der Terroristen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Holger Meins verarbeitete. Umstritten war auch sein Zyklus zum Konzentrationslager Birkenau, für den er Fotografien von Holocaustopfern und Leichenverbrennungen verfremdete.
Gerhard Richter - Breit gefächertes Œuvre zwischen Fotografie und Malerei
Charakteristisch für Gerhard Richter sind die sogenannten Abmalungen, für die er Fotografien als Vorlage verwendete. Immer wieder brach der Künstler bewusst mit seinem Stil, um neue Wege zu beschreiten – Kritiker bezeichneten dies als »Stilbruch als Stilprinzip«. In der Breite verleiht dieser Umstand dem Werk des Künstlers aber eine außerordentliche Tiefe. Besonderen Ruhm erlangten die Kirchenfenster, die Richter für den Kölner Dom und – als letztes seiner Werke – für die Benediktinerabtei St. Mauritius Tholey gestaltete. Für seine Kunst erhielt Gerhard Richter Preise und Auszeichnungen in kaum überschaubarer Zahl, darunter 1988 den Goslarer Kaiserring, 1997 den Goldenen Löwen der Biennale in Venedig sowie den japanischen Praemium Imperiale, 1998 den amerikanischen Wexner-Preis und 2018 den Europäischen Kulturpreis Taurus.
Gerhard Richter lebt heute in Köln. Im September 2020 erklärte er sein Werk als Maler für beendet und zog sich im Alter von 88 Jahren in den Ruhestand zurück.
Gerhard Richter - Comic Strip
1962 entsteht Gerhard Richters Künstlerbuch, in dem die Figur eines Mannes mit breitkrempigem Hut das Hauptmotiv bildet. Zur Darstellung dieser Figur schneidet Richter Stempelvorlagen in variierenden Posen, was ihm eine schnelle Wiederholung des Motives in identischer Form ermöglicht. Er greift damit auf frühe Arbeiten zurück, in denen er das Stempelmotiv vereinzelt verwendet hat. Ohne einer klaren narrativen Struktur zu folgen, werden episodenhafte und fragmentarische Erzählungen illustriert, die von einem außergewöhnlichen Ideenreichtum zeugen. Begleitet werden die Bildergeschichten von einer Ornamentschrift, die sich nur teilweise entschlüsseln lässt und sich zumeist vollständig in eine abstrakte Form auflöst. Dietmar Elger nennt den Cartoonist Saul Steinberg als eine maßgebliche Inspirationsquelle und als Vorbild für Richters “stilistischen Kontrast zwischen flächiger Reduktion und linearer Dekoration“ sowie der „sinnbefreiten ornamentalen Handschrift“.
Das vorliegende Werk beinhaltet Elemente, die im 2014 erschienenen Reprint „Comic Strip“, nicht abgedruckt sind. Zusätzliche Zeichnungen, teils zusammengeklebte Seiten und Collagen sowie künstlerische Werkspuren sind nur in diesem lange Zeit unentdeckten Künstlerbuch sichtbar.
„Wenn das Buch nach mehr als fünf Jahrzehnten nun auf Wunsch des Künstlers und herausgegeben vom Gerhard Richter Archiv doch noch veröffentlicht wird, dann nicht, weil aus dem damaligen Gerd der berühmte und bedeutende Gerhard Richter geworden ist. Diese frühen Zeichnungen, die uns eine so unbekannte Seite des Künstlers präsentieren, faszinieren auch heute noch durch ihren Erfindungsschatz und ihren grafischen Reichtum“. (Dietmar Elger, Comic Strip - Richters Märchenbuch für Erwachsene, Vom Sammeln und Forschen in einem Künstlerarchiv, in: Gerhard Richter Archiv: Stand: 07 Feb 2014, (http://gra.hypotheses.org/1161#comments (abgerufen am 10.10.2017)).
Gerhard Richter - Ausstellung in Berlin
Die Ausstellung "Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin" wird von April 2023 bis 2026 in der Neuen Nationalgalerie gezeigt.
Die Neue Nationalgalerie in Berlin hat das Privileg, eine langfristige Dauerleihgabe von hundert Werken des renommierten Künstlers Gerhard Richter zu präsentieren. Die Sammlung, die von der Gerhard Richter Kunststiftung zur Verfügung gestellt wurde, umfasst nahezu 90 Werke aus verschiedenen Schaffensphasen des Künstlers und beinhaltet auch den bedeutenden Zyklus "Birkenau" aus dem Jahr 2014. Dieser Zyklus basiert auf Fotografien, die im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau aufgenommen wurden, und beschäftigt sich auf eindrückliche Weise mit dem Holocaust und der Herausforderung, diesen schrecklichen Teil der Geschichte darzustellen. Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden ist, soll zukünftig durch kuratorische und künstlerische Interventionen in immer neuen Kontexten präsentiert werden.
Kuntwerke von Gerhard Richter in Museen und Institutionen:
Kuntwerke von Gerhard Richter in Europa:
- Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
- Pinakothek der Moderne, München
- Staatsgalerie Stuttgart
- Centre Pompidou, Paris
- Museo nazionale delle arti del XXI secolo, Rom
- Tate Britain, London
- Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid
Kuntwerke von Gerhard Richter in Nordamerika:
- Montreal Museum of Fine Arts
- Museum of Modern Art, New York
Kuntwerke von Gerhard Richter in Asien:
- National Museum of Modern Art Tokyo
Gerhard Richter - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: